Rückblende

1986: Der »Historikerstreit«

Stichwortgeber für die Rechte: Ernst Nolte Foto: dpa

Rückblende

1986: Der »Historikerstreit«

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 41

von Michael Brenner  13.08.2013 18:05 Uhr

»Vergangenheit, die nicht vergehen will« betitelte der Berliner Historiker Ernst Nolte einen Beitrag für die FAZ vom 6. Juni 1986, der den »Historikerstreit« über die Singularität des Holocaust entfesselte. Nolte, dessen in den 60er-Jahren entstandenes Buch Der Faschismus in seiner Epoche längst zum Standardwerk geworden war und der auch Mitherausgeber der Schriften Theodor Herzls war, galt als einer der angesehensten deutschen Historiker. Mit diesem Aufsatz jedoch katapultierte er sich an den rechten Rand der intellektuellen Szene der Bundesrepublik.

»War nicht der Archipel GULag ursprünglicher als Auschwitz? War nicht der ›Klassenmord‹ der Bolschewiki das logische und faktische Prius des ›Rassenmords‹ der Nationalsozialisten?«, fragte Nolte. All das, was die Nationalsozialisten später taten, sei mit einer einzigen Ausnahme – nämlich der »des technischen Vorgangs der Vergasung« – bereits vorher aus der Sowjetunion beschrieben worden. Der Holocaust sei nur durch den Terror der Bolschewiki zu erklären, als Antwort auf deren Vernichtung des »Klassenfeinds«, ebenso wie die Kriegserklärung Hitlers an die Juden eine Reaktion auf Chaim Weizmanns Äußerung gewesen sei, die Juden würden im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten stehen.

tabubrecher Nolte gefiel sich in der Rolle des Tabubrechers, des Märtyrers für die angeblich unterdrückte Wahrheit, als intellektuelles Sprachrohr der Stammtische. Er machte die Argumente salonfähig, die man in dieser Form bis dahin eben nur außerhalb des Salons gehört hatte. Nolte wusste dies natürlich nur zu genau, als er seinen Beitrag, der vorher als Rede für die Frankfurter Römerberggespräche in dieser Form abgelehnt worden war, der FAZ zusandte. Dabei war er keineswegs der Außenseiter, als der er sich gern betrachtete.

Mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war es gewiss kein obskures Blatt am rechten Rand, das ihm Platz für seine Thesen einräumte (was übrigens zum endgültigen Bruch zwischen FAZ-Herausgeber Joachim Fest und Marcel Reich-Ranicki führte). Auch die Nolte sekundierenden Kollegen von Michael Stürmer über Klaus Hildebrand und Andreas Hillgruber bis Horst Möller waren keine Nobodys innerhalb der Zunft, sondern gehörten zu ihren einflussreichsten Vertretern. Der früheste und heftigste Widerstand kam übrigens von keinem Historiker, sondern von dem Philosophen Jürgen Habermas.

Ernst Nolte, der seitdem immer tiefer in rechtem Gedankengut fischt, war der Vorreiter anderer Intellektueller in ihrem Feldzug gegen die vermeintliche »Auschwitz-Keule«. Ein Vierteljahrhundert nach Ende des Historikerstreits sind Noltes Thesen zwar nicht richtiger geworden, haben sich mittlerweile aber in vielen Köpfen festgesetzt.

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025