Rückblende

1976: Silbermanns Antisemitismusstudie

Alphons Silbermann Foto: dpa

Rückblende

1976: Silbermanns Antisemitismusstudie

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Folge 31

von Michael Brenner  04.06.2013 17:08 Uhr

Immer wenn heutzutage eine Studie zu antisemitischen Einstellungen in der Bevölkerung veröffentlicht wird oder eine öffentliche Debatte zu einer als antisemitisch gedeuteten Bemerkung eines Politikers oder Intellektuellen durch die Medien schwirrt, kommt es zu denselben Reaktionen. Repräsentanten der jüdischen Gemeinden reagieren besorgt und betroffen, fordern zu mehr Wachsamkeit auf, Regierungsvertreter versprechen, in Zukunft noch mehr zu tun, um das Übel des Judenhasses einzudämmen.

Bereits in den 50er-Jahren gab es regelmäßige Umfragen zur Einstellung der Deutschen gegenüber den Juden. Ob es denn besser oder schlechter wäre, wenn es keine Juden im Lande gäbe, hieß eine kontinuierlich gestellte Frage, in der freilich eine gewisse Ambivalenz mitschwang.

Die »positiven« Antworten nahmen über die Jahre zu. Waren 1952 noch 37 Prozent der Meinung, es wäre besser, wenn gar keine Juden mehr in Deutschland lebten, so waren es 1963 nur noch 18 Prozent. Fast verdoppelt hatte sich dementsprechend die Zahl derjenigen, die es schlecht fänden, wenn keine Juden mehr in der Bundesrepublik Deutschland lebten.

methodenkritik So ging man davon aus, das Bild der Juden in der westdeutschen Gesellschaft insgesamt würde sich mit wachsendem Abstand zur Schoa allmählich verbessern. Für gehöriges Aufsehen sorgte dann eine 1976 veröffentlichte Studie unter der Ägide des aus dem australischen Exil nach Köln zurückgekehrten Soziologen Alphons Silbermann. Dieser Erhebung zufolge ließen sich nämlich bei jedem fünften Bundesbürger starke antisemitische Ressentiments, und bei jedem Zweiten immerhin noch latente antisemitische Einstellungen feststellen.

Die Reaktionen fielen damals jedoch etwas anders aus als heute. Der Vorsitzende des Zentralrats, Werner Nachmann, hielt die Studie für fragwürdig und kritisierte Silbermann. Der Präsident der Münchner Gemeinde, Hans Lamm, bezeichnete Silbermanns Methoden in der Jüdischen Allgemeinen als untauglich. Auch aus Regierungskreisen hagelte es Kritik.

Egal, wie man Silbermanns Methoden beurteilt, seine Studie verursachte eine enorme öffentliche Debatte zum Antisemitismus in der Bundesrepublik. Sie führte auch zu der ernüchternden Einsicht, dass das Verschwinden antijüdischer Vorurteile aus der Gesellschaft keine Frage des Abwartens war.

Es war wohl auch diese Erkenntnis, die 1982 zur Gründung des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung führte. Die von diesem seitdem durchgeführten Erhebungen und Forschungen geben bis heute wenig Anlass zur Entwarnung.

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 24.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Potsdam

BSW-Fraktionsvize tritt nach Reaktion auf AfD-Zitat zurück

Die Landtagsfraktion in Brandenburg ist nach vier Parteiaustritten in einer Krise. Nun tritt auch noch Fraktionsvize Dorst von seinem Amt zurück. Die Hintergründe

 24.11.2025

Soziale Medien

Plattform X: Israelfeindliche und antisemitische Inhalte aus Pakistan und der Türkei

Ein neues Transparenz-Feature zeigt: Angeblich von westlichen »Israelkritikern« betriebene Konten werden in Wirklichkeit aus anderen Teilen der Welt bearbeitet

 24.11.2025

Washington D.C.

Trump kündigt Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation an

Der Organisation würde mit diesem Schritt der Zugang zu finanzieller Unterstützung verwehrt. Die Muslimbruderschaft wird immer wieder mit radikalen Ablegern in Verbindung gebracht

 24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025