Sigmount A. Königsberg

Zu Helden hochstilisiert

Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin Foto: Gregor Zielke

Sigmount A. Königsberg

Zu Helden hochstilisiert

Solidarität mit der Ukraine kann nicht bedeuten, alles zu befürworten, was deren Vertreter verlautbaren

von Sigmount A. Königsberg  17.04.2022 22:26 Uhr

Kann man, darf man nach dem russischen Überfall auf die Ukraine Äußerungen ihrer Vertreter kritisieren, ohne sich dabei dem Vorwurf auszusetzen, Putins Handeln zu legitimieren?

Der russische Überfall auf die Ukraine, die Schreckensbilder, die uns aus Butscha, Mariupol, Tschernihiw und vielen anderen Ortschaften erreichen, begleiten uns seit Wochen. Was da passiert, wird von vielen Experten als Kriegsverbrechen angesehen.

souveränität Die allermeisten von uns, so auch ich, stehen solidarisch zur Ukraine und unterstützen sie in ihrem Kampf um ihre nationale Souveränität. Das kann aber nicht bedeuten, dass kritiklos alles befürwortet werden kann, was ukrainische Vertreter verlautbaren.

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, twitterte am 3. April: »Weder die Russen, noch die Deutschen haben das Recht zu bestimmen, wen die Ukrainer als Helden verehren. Stepan Bandera & Hunderttausende meine Landsleute kämpften sowohl gegen Hitler, als auch gegen Stalin für den ukrainischen Staat. Lasst uns in Ruhe mit euren Belehrungen.«

Ich kann nicht schweigen, wenn Mörder, Verbrecher und Antisemiten zu Helden hochstilisiert werden.

Hier keine Belehrung, sondern ein Hinweis aus ganz persönlicher Sicht: Milizionäre der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) übernahmen nach dem Einmarsch Nazi-Deutschlands in Lwiw/Lwow/Lemberg am 30. Juni 1941 zum Teil die Kontrolle über die Stadt.

pogrome Statt aber Menschen vor Übergriffen zu schützen, heizten sie den Antisemitismus an und waren maßgeblich an Pogromen beteiligt: Die Juden Lembergs wurden misshandelt und einem für viele tödlich ausgehenden Spießrutenlauf ausgesetzt. Allein an diesem Tag wurden über 100 Menschen erschlagen und unzählige verletzt. Meine eigene Familie, mein Vater und meine Großeltern waren all dem ausgesetzt.

In den darauffolgenden Tagen trieben Banderas Leute Tausende Juden in die Hände der Einsatzgruppe C der deutschen Sicherheitspolizei, die sie dann ermordeten. Ich kann nicht schweigen, wenn Mörder, Verbrecher und Antisemiten zu Helden hochstilisiert werden. Zur OUN und ihren Anführern bleibt mir nur eines zu sagen: Jimach Schemo weSichro – mögen ihre Namen und die Erinnerungen an sie getilgt werden.

Der Autor ist Beauftragter gegen Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Meinung

Eurovision: Mobbing statt Musik

Eigentlich versteht jeder, dass Musiker nicht mit ihren Regierungen identisch sind. Wenn es um den jüdischen Staat geht, scheint diese Logik jedoch nicht zu gelten

von Sabine Brandes  07.12.2025

Glosse

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken? Ein Gedankenexperiment

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Meinung

Zurück ins Mittelalter?

Die israelische Regierung will die Todesstrafe wieder einführen. Das ist geschichtsvergessen und verblendet

von Sophie Albers Ben Chamo  04.12.2025

Meinung

Wagenknechts Schiffbruch

Nur etwa zwei Jahre nach seiner Gründung steht das BSW vorm endgültigen Scheitern – eine gute Nachricht! Dennoch bleibt ein übler Nachgeschmack

von Ralf Balke  04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  01.12.2025 Aktualisiert