Ralf Balke

Welterbe Peenemünde – abwegige Idee

Ralf Balke Foto: Marco Limberg

Was haben der Kölner Dom und die Altstadt von Lübeck mit dem Historisch-Technischen Museum in Peenemünde, das an die Geschichte der deutschen Raketentechnik erinnert, gemeinsam? Bisher noch nichts. Geht es aber nach dem Willen von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), soll auch die Geburtsstätte der »Vergeltungswaffe 1« und »Vergeltungswaffe 2« zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden.

»Peenemünde steht ja auf der einen Seite für technologische Pionierleistungen von epochaler Bedeutung, ist aber auch untrennbar mit der menschenverachtenden Ideologie des NS-Systems verbunden«, lautet ihre Begründung. So würde eine Lücke geschlossen, da es bislang keinen Ort auf der Liste der Kulturdenkmäler gebe, der sich explizit mit Kriegsursachen und der Raumfahrt beschäftigt.

MYTHOS Das alles ist gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen bedient die Ministerpräsidentin damit den alten Mythos von Peenemünde als »Wiege der Raumfahrt«. Zwar erreichte eine 1942 an der Ostseeküste abgeschossene Rakete in der Tat erstmals den Weltraum – doch stand eine Reise zu den Sternen gewiss nicht auf der Agenda der Nazi-Wissenschaftler. Ihr Ziel war es, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, die möglichst viele Menschen ins Jenseits und nicht ins All transportieren sollten. Kurzum, Peenemünde ist kein deutsches Cape Canaveral.

Vielleicht sollte man einmal die Nachfahren der Opfer fragen, was sie von der Idee halten.

Zum anderen kamen beim Bau von Peenemünde sowie bei der Produktion von »V1« und »V2« Zehntausende Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ums Leben, Stichwort »Vernichtung durch Arbeit«. Selbst wenn Schwesig auch auf deren Schicksal aufmerksam machen will, hat dies einen merkwürdigen Beigeschmack.

Es klingt, als ob ihr Tod nicht ganz so sinnlos gewesen sei, weil am Ende ja die »technologische Pionierleistung« steht. Vielleicht sollte man einmal die Nachfahren der Opfer fragen, was sie von der Idee halten, schlug Günther Jikeli, Herausgeber der Studie Raketen und Zwangsarbeit in Peenemünde und Kritiker des Ganzen, in einem Brief an seine Parteikollegin Schwesig vor. Adressen könne er gerne zur Verfügung stellen.

Der Autor ist Historiker und Journalist in Berlin.

Kommentar

Der »Tages-Anzeiger« und das Geraune von der jüdischen Lobby

Die Zeitung unterstellt, erst eine Intervention des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes habe zur Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese durch die Uni Bern geführt. Dabei war die Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht allein!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Gent befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025

Essay

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  06.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Einseitig, fehlerhaft, selbstgerecht

Die »International Association of Genocide Scholars« bezichtigt Israel des Völkermords. Die Hamas spricht sie von jeder Verantwortung für die Lage in Gaza frei. Eine Erwiderung

von Menachem Z. Rosensaft  05.09.2025

Meinung

Vuelta-Radrennen: Israelhasser ohne Sportsgeist

Bei der spanischen Radtour ist der israelische Rennstall Ziel von Störaktionen. Nun forderte der Rennleiter das Team auf, nicht mehr anzutreten. Wenigen Fanatiker gelingt es, Israel vom Sport auszuschließen - wie so oft in der Geschichte

von Martin Krauss  04.09.2025

Kommentar

Gaza: Das falsche Spiel der Vereinten Nationen

Die UN ist kein neutraler Akteur im Gazakrieg. Ihre Vertreter scheuen sich nicht, irreführende Zahlen in Umlauf zu bringen und die Hamas als legitime politische Kraft zu präsentieren

von Jacques Abramowicz  03.09.2025