Rabbiner Boris Ronis

Warum wir Tage der Ruhe brauchen

Rabbiner Boris Ronis Foto: Stephan Pramme

Einen »Tag der Stille« gab es im März auf der indonesischen Urlauberinsel Bali. Damit das neue hinduistische Jahr ruhig beginnt, mussten Einheimische wie Touristen 24 Stunden lang ohne mobiles Internet auf dem Handy auskommen. Auch der Flugverkehr ruhte.

Wünschen wir uns nicht auch ab und zu Ruhe und etwas Entspannung? Jeder von uns kennt Tage, die einen nicht zur Ruhe kommen lassen: Das Telefon klingelt unentwegt, und die Flut der E-Mails scheint nicht abreißen zu wollen. Dabei benötigt der Mensch Ruhe. Ja, wir leben in Zeiten der inneren Stille regelrecht auf. Aus ihr schöpfen wir Kraft, Ideen, und hier finden wir auch Lösungen für Probleme.

Eigentlich eine komische Vorstellung:
sich selbst dazu zwingen, mal einen
Tag der Ruhe zu haben.

TRADITION In der jüdischen Tradition kennen wir einige solcher Tage, am bekanntesten sind Schabbat und Jom Kippur. Da wird zwar nicht das Telefonnetz abgestellt, schließlich könnte es ja mal einen Notfall geben. Aber stattdessen wird viel Wert auf Selbstdisziplin und Eigenmotivation gelegt. Eigentlich ja eine komische Vorstellung: sich selbst regelrecht dazu zu zwingen, mal einen Tag der Ruhe und Entspannung zu haben.

Leider kennen wir Menschen oft keine Grenzen: oft nicht gegenüber anderen, oft auch nicht uns selbst gegenüber. Da ist es nicht verwunderlich, dass Gott in Seiner unendlichen Weisheit uns solche Tage verschrieben hat, mit dem Schabbat sogar einen wöchentlichen Ruhetag.

Klar, nicht jeder hält ihn ein. Unsere Arbeit kennt oft kein Ende, doch: Wir selbst sind endlich; wir erkennen es meist nur zu spät. Darum sollten wir uns diese Selbstdisziplin und die Emanzipation eines freien Tages nie nehmen lassen. Sonst werden wir die Lektion am Berg Sinai, mit den vielen Wundern und dem Geschenk Gottes an uns, niemals verstehen. Was auf dem Spiel steht? Nicht weniger als unsere Freiheit. Denn der pausenlos arbeitende Mensch kennt so etwas wie Freiheit nicht. Für ihn gilt nur sein Werk, das er geschaffen hat.

Darum sind die Lektionen und Weisungen Gottes für uns so wichtig, bewahren sie uns doch vor unserem Egoismus und dem Drang, anderen zu schaden.

Der Autor ist Gemeinderabbiner in Berlin.

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Meinung

Wieder ein Blankoscheck für Palästina?

Europa will Gazas Wiederaufbau finanziell fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, Millionen an Hilfsgeldern würden etwas zum Besseren verändern, fragt unser Autor

von Jacques Abramowicz  10.11.2025 Aktualisiert

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Kommentar

Politisches Versagen: Der Israelhasser Benjamin Idriz soll den Thomas-Dehler-Preis erhalten

Wer, wie der Imam, den 7. Oktober für seine Diffamierung des jüdischen Staates und der jüdischen Gemeinschaft instrumentalisiert, ist eines Preises unwürdig

von Saba Farzan  28.10.2025

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025