Christoph Heubner

Wahlen: Republik auf dem Prüfstand

Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees Foto: dpa

Christoph Heubner

Wahlen: Republik auf dem Prüfstand

Wer AfD wählt, schickt keinen Weckruf an die Demokratie, sondern will eine andere Republik

von Christoph Heubner  05.09.2019 08:23 Uhr

Mit Bestürzung haben Holocaust-Überlebende die Ergebnisse der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen zur Kenntnis genommen. Wenn in beiden Bundesländern – trotz offensichtlicher rechtsextremer Auswüchse und nachgewiesener Nazi-Gesinnung innerhalb des AfD-Personals – mehr als jeder fünfte Bürger in diese von Wut und Hass geprägte Richtung abgebogen ist, hat die Demokratie in Deutschland ein ernstes Problem.

Auschwitz-Überlebende jedenfalls erinnert das aktuelle Bedrohungsszenario und die ihm innewohnende Demokratie-Verachtung an Entwicklungen, die sie in ihrer Jugend am eigenen Leib erfahren mussten. Für sie ist die Frage, ob die deutsche Demokratie auf Dauer gesichert ist und sich auf genügend aktive Demokraten verlassen kann, elementar geworden.

Die Frage, ob die deutsche Demokratie auf Dauer gesichert ist und sich auf genügend aktive Demokraten verlassen kann, ist elementar geworden.

Man muss die tiefen Emotionen, die Überlebende angesichts der aktuellen Wahlergebnisse empfinden, auch als äußerst deprimierende Erkenntnis verstehen, dass ein wachsender Teil der Wahlberechtigten in Deutschland keine persönliche Identifikation mit der Demokratie entwickelt hat und erschreckend leichtfertig bereit ist, möglichst schnell aus ihr auszusteigen und altbekannten Rezepturen aus dem Giftschrank der Geschichte zu vertrauen.

PROTESTWÄHLER Längst ist für die Überlebenden auch die Zeit vorbei, sogenannten Protestwählern »Artenschutz« zu gewähren und deren politische Entscheidung als »Weckruf an die Demokratie« zu interpretieren. Nein, wer AfD wählt, will eine andere Republik, in der die Werte der Toleranz und Vielfalt keinen Platz mehr finden sollen.

Das ist die Herausforderung. Sie ist neu und zum ersten Mal wieder grundsätzlicher Natur: Die Republik steht auf dem Prüfstand. Zu lange hat man sich darauf verlassen, die Hausaufgaben zur Aufarbeitung der Nazi-Geschichte erledigt zu haben. Doch plötzlich schleichen sich die alten Geister wieder an den deutschen Familientisch und versuchen, die rechtsextreme Deutungshoheit über die Geschichte zurückzugewinnen.

Die Überlebenden des Holocaust fordern jetzt ein kraftvolles und mutiges gemeinsames Handeln, damit Antisemitismus und rechtsextremer Hass in Deutschland keine neue Heimat finden und Nazis in Deutschland nie mehr an die Macht kommen können.

Der Autor ist Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees.

Meinung

Itamar Ben-Gvir und die rote Ampel

Warum die Rückkehr des Rechtsextremisten in Israels Regierung auch uns Juden in der Diaspora zutiefst beunruhigen muss

von Ayala Goldmann  25.03.2025 Aktualisiert

Meinung

Benjamin Netanjahu und der »Deep State«

Israels Premier wird bei der hochumstrittenen »Justizreform« keine Kompromisse machen, die seine Macht gefährden

von Ayala Goldmann  25.03.2025

Meinung

Carsten Brosda - der nächste problematische Kulturstaatsminister?

Das Ende der Ampel bedeutet auch das Ende der unsäglichen Ära Claudia Roth. Das neue schwarz-rote Bündnis, das gerade geschmiedet wird, hat nun auch die Chance auf einen Neubeginn

von Daniel Killy  19.03.2025

Meinung

Rechtsextreme bleiben falsche Freunde

Mit Rechtsextremismus lässt sich kein Judenhass bekämpfen, schreibt unsere Redakteurin

von Nicole Dreyfus  19.03.2025

Meinung

Jürgen Trittin verharmlost den NS-Terror

Der Ex-Bundesumweltminister stellt Donald Trump auf eine Stufe mit den Nazis. Das ist völlig daneben

von Michael Thaidigsmann  18.03.2025

Melody Sucharewicz

Der Antisemitismus, das dreiste, gefräßige Monster

Auf Demonstrationen in Europa dominieren juden- und israelfeindliche Hasstiraden. Das Schweigen darüber ist unerträglich

von Melody Sucharewicz  17.03.2025

Meinung

Gefährliche Allianz von Feminismus und Antisemitismus

In Lausanne galt auf der Kundgebung zum Weltfrauentag: Jüdinnen sind nicht willkommen. Das ist weder emanzipatorisch noch feministisch

von Nicole Dreyfus  13.03.2025

Daniel Neumann

Darmstadt: Diesmal ließ die Kirche Taten folgen

Nach dem antisemitischen Eklat in der Michaelsgemeinde greift die Evangelische Landeskirche entschlossen durch. Das verdient Anerkennung

von Daniel Neumann  12.03.2025

Meinung

Die stärksten Menschen der Welt

Die ehemaligen Geiseln Eli Sharabi und Yarden Bibas sind durch die Hölle gegangen. Kaum sind sie frei, setzen sie sich unermüdlich für die Rückkehr ihrer »Brüder und Schwestern« ein

von Sabine Brandes  12.03.2025