Michael Wolffsohn

Spucker haben die Tora nicht verstanden

Michael Wolffsohn Foto: picture alliance/dpa

Auch orthodoxen Juden muss man manchmal jüdischen Nachhilfeunterricht erteilen. Besonders in Jerusalem halten sich orthodoxe Aktivisten für vorbildlich jüdisch, wenn sie Christen oder Muslime bespucken oder gar schlagen. Der deutsche Dormitio-Abt Nikodemus Schnabel wurde kürzlich einmal mehr von orthodoxen Jugendlichen auf der Straße in Jerusalem bespuckt und vulgär-pornografisch verflucht.

Mit Worten, die man weder in der Tora noch im Talmud findet, wohl aber beim vereinigten Pöbel aller Länder. Ausgerechnet orthodoxe Juden, die sich und alle Juden durch Geburt für »auserwählt« halten, denken und reden »wie alle Gojim«, sprich: alle Völker. Sakrileg eins. Auserwähltheit à la carte. Missverstandenes Judentum.

Auserwähltheit à la carte. Missverstandenes Judentum.

Jene orthodoxen Juden vertiefen sich tagein, tagaus stundenlang in Tora, Talmud und Tradition, doch Elementar-Jüdisches gehört offenbar nicht in ihren Lehrplan. Vielleicht haben sie ausgerechnet dieses so fundamentale Tora-Gebot aus dem 3. Buch Mose 19,18 vergessen (wollen): »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Nun gut, sagen manche, damit wären nur die jüdischen Nächsten gemeint. Irrtum und damit Sakrileg zwei, denn im 3. Buch Mose 19,34 heißt es: »Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.«

Wir Juden beklagen uns zu Recht seit Jahrtausenden über Judenhass. Jüdischer Hass gegen Christen oder Muslime ist ebenso verwerflich. Da sich jener orthodox-jüdische Pöbel sogar in der »gojischen« (nichtjüdischen) Pornosprache auskennt, sei ihm – baruch haschem (Gʼtt sei gesegnet) – ein stubenreines deutsches Sprichwort empfohlen: »Was du nicht willst, das man dir tuʼ, das fügʼ auch keinem andern zu.«

Der Autor ist Historiker und Publizist.

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Meinung

Jason Stanley und der eigentliche Skandal

Ohne mit allen Beteiligten gesprochen zu haben und ohne zu wissen, was wirklich passiert ist, schrieb die deutsche Presse das Ende des jüdisch-liberalen Diskurses herbei. Dabei offenbart sich, wie leichtfüßig Stereotype gefüttert werden

von Daniel Neumann  14.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Sabine Brandes

Wie Donald Trump Israels Demokratie angreift

Der US-Präsident hat angekündigt, in den Korruptionsprozess gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eingreifen zu wollen. Damit geht der Amerikaner eindeutig zu weit

von Sabine Brandes  12.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Meinung

Wieder ein Blankoscheck für Palästina?

Europa will Gazas Wiederaufbau finanziell fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, Millionen an Hilfsgeldern würden etwas zum Besseren verändern, fragt unser Autor

von Jacques Abramowicz  10.11.2025 Aktualisiert