Meinung

Sinnloser Hass auf dem Tempelberg

Ayala Goldmann Foto: Marco Limberg

Das Schlimmste wurde verhindert. Obwohl am Sonntag Tischa beAw, der jüdische Trauertag wegen der Zerstörung des Tempels in Jerusalem, und Eid Al-Adha, das islamische Opferfest, zusammenfielen, gab es bei den Unruhen auf dem Tempelberg zwar Dutzende von Verletzten, aber keine Toten.

Dies ist nicht zuletzt der Besonnenheit der israelischen Polizei in Jerusalem zu verdanken, die den Tempelberg am Sonntag zunächst für jüdische Besucher schloss. Zuvor hatten Extremisten die Stimmung unter den Zehntausenden muslimischen Betern massiv angeheizt und die Zusammenstöße mit der Polizei bewusst provoziert.

REGIERUNG Erst später am Tag durften jüdische Beter und Aktivisten, von denen nicht wenige mit der extremen Rechten in Israel sympathisieren, unter schwerem Polizeischutz das Areal betreten, um der Zerstörung des Tempels zu gedenken. Trotzdem geriet Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Abend unter verbalen Beschuss der politischen Konkurrenz.

Extremisten haben die Stimmung unter den Zehntausenden muslimischen Betern massiv angeheizt.

Die temporäre Schließung des Tempelbergs für Juden sei »schändlich« und eine »Unterwerfung unter arabischen Terrorismus«, tweetete Verkehrsminister Bezalel Smotrich von der Partei Tkuma. Und Ayelet Shaked, die zusammen mit Smotrich für die Parlamentswahl ein Rechtsbündnis  geschmiedet hat, schäumte: »Wenn man sich dem Terrorismus unterwirft, siegt der Terrorismus.«

Aber kann ein besonnenes Vorgehen an Tischa beAw wirklich als »Unterwerfung« gelten? Gerade im israelischen Wahlkampf täte es gut, sich an eines zu erinnern: Sinnloser Hass gilt in der jüdischen Tradition als Grund, warum der Tempel in Jerusalem an Tischa beAw zerstört wurde. Vielleicht würde es helfen, wenn Smotrich und Shaked die entsprechenden Quellen studierten.

Das Oberrabbinat trägt wesentlich zur Deeskalation an dem für beide Religionen heiligen Ort bei.

Beruhigend ist jedenfalls, dass die offizielle religiöse Institution in Israel, das Oberrabbinat, Juden gerade wegen der Heiligkeit des Tempelbergs sein Betreten bis heute untersagt. Damit trägt das Oberrabbinat, das jüdisches Gebet auf dem Areal nicht zum Politikum stilisiert, zur Deeskalation an dem Ort bei, über den die islamische Religionsbehörde Waqf die religiöse Aufsicht führt. Ob wiederum der Waqf am Sonntag zur Deeskalation beigetragen hat, darf getrost bezweifelt werden.

Hamas Diese Gemengelage versteht leider nicht jeder – oder will sie bewusst missverstehen. Nach Beginn der Unruhen meldeten sich die »üblichen Verdächtigen«: Aus Saudi-Arabien und Qatar kamen Forderungen nach einer internationalen Intervention, um die »israelischen Aggressionen« zu stoppen. Und die Hamas tönte: »Was Israel und die Siedler bei der Al-Aksa(-Moschee) tun, wird wie ein Bumerang zurückkommen.«

Auch die Bilder in den Medien können täuschen: Man sieht muslimische Beter und martialisch wirkende israelische Polizisten. Doch Fakt ist: Am Sonntag wurde das Schlimmste verhindert. Und zwar deshalb, weil weder Israels Regierung noch Israels Polizei Interesse an einer gewalttätigen Eskalation hatten.

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Meinung

Die Schönwetterfreunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025 Aktualisiert