Valentina Marcenaro

Sea-Watch: Vorfahrt für Humanität

Valentina Marcenaro Foto: Steffen Giersch

Vielleicht ist Carola Rackete eine Heldin, auf jeden Fall ist sie eine mutige Frau mit sicherem ethischen Kompass. Die Kapitänin der »Sea-Watch 3« wusste, was auf sie zukommt, als sie die Verantwortung für die Menschen übernahm, die sich auf ihr Schiff gerettet hatten. Indem sie Italien ansteuerte – und nicht das unsichere Libyen – verstieß Rackete gegen italienisches Recht, wie es von der Regierung verstanden wird, aber die Humanität hatte für sie Priorität. Es war riskant, aber die Untersuchungsrichterin, die sie vorläufig freiließ, stand ihr bei. Allerdings wird Rackete vermutlich bald wegen Beihilfe zu illegaler Migration erneut vorgeladen.

MENSCHENRECHTE Die Proteste, die es in ganz Europa gegen ihre Festnahme gab, waren wichtig. Die Kritik richtete sich gegen Italien, konkret gegen Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega. Das ist richtig, doch es greift zu kurz. Zum einen ist es indiskutabel, was Salvini sagt und welche Politik er durchsetzt. Zu der gehört es nachgewiesenermaßen, dass, wie vor einem Jahr in Palermo, Menschenrechte missachtet werden.

Anders als Malta hat Italien lange
Zeit Flüchtlinge aufgenommen und
seine Not darüber Europa mitgeteilt.

Daher ist es auch völlig richtig, wenn nun oft dieses Traktat aus dem Babylonischen Talmud zitiert wird: »Wer auch immer ein einziges Leben rettet, der ist, als ob er die ganze Welt gerettet hätte.« Doch zum anderen ist es auch ein wenig bequem, wenn mächtige EU-Staaten wie Deutschland nun Italien angreifen. Im Gegensatz zu Malta haben die Italiener lange Zeit gerettete Flüchtlinge aufgenommen und ihre Not darüber Europa mitgeteilt. Die immer brutaler werdende Antiflüchtlingspolitik einiger Mittelmeerländer fruchtet auf dem Boden der fehlenden Solidarität durch die anderen EU-Länder. Sie wurden tatsächlich alleingelassen.

TASKFORCE Dringend nötig ist eine europäische Taskforce, die glaubwürdig die Verantwortung für die Mittelmeerflüchtlinge mitträgt und Strukturen an den Küsten Südeuropas aufbaut und betreut, damit die geflohenen Menschen solidarisch und menschenwürdig in allen EU-Ländern aufgenommen werden können.

Weil genau das versäumt wurde, kam Salvini an die Macht, kommen seine populistischen Sprüche an, und deshalb droht Carola Rackete weiterhin eine Anklage.

Die Autorin ist Italienerin und Mitglied der Jüdischen Gemeinde Dresden.

Meinung

Der erfundene »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht, warnt sie nicht vor Angriffen und richtet weder Fluchtrouten noch humanitäre Zonen ein

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025

Kommentar

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht allein!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Gent befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025