Meinung

Schlechte Zeiten für Frankfurts Juden

Die jüdischste Stadt Deutschlands hat einen düsteren Sommer erlebt. Inmitten einer bundesweit ins Hysterische gekippten Anti-Israel-Stimmung verunsicherten mehrere lokale Vorkommnisse Frankfurts stolze jüdische Gemeinschaft. Es begann im Juli, als linke Aktivisten ein leerstehendes Ladenlokal im Stadtteil Gallus besetzten und die in städtischem Besitz befindlichen Räume vor allem für antiisraelische Hetze nutzten. Erst sechs Wochen später rang sich der Magistrat zu dem für eine polizeiliche Räumung notwendigen Strafantrag durch.

Im August sorgte das linksradikale »System Change Camp« für weiteres Aufsehen. Im Zuge der zwölftägigen, an vielen Stellen israelfeindlichen Veranstaltung kam es zu verbalen und tätlichen Angriffen auf Frankfurter Juden, die auf das Schicksal der am 7. Oktober 2023 von der Hamas verschleppten Geiseln aufmerksam machen wollten. Das Camp fand im Grüneburgpark statt, der bis zur Enteignung durch die Nazis der Frankfurter Bankiersfamilie Rothschild gehörte.

Eine Kundgebung gegen Antisemitismus und für Israel war nur spärlich besucht.

Ebenso symbolträchtig war der Ort, an dem am Samstag die »United4Gaza«-Großdemonstration startete: in direkter Nachbarschaft zur heute von der Europäischen Zentralbank genutzten einstigen Großmarkthalle, die von den Nazis seit 1941 zur Deportation jüdischer Frankfurter an Vernichtungsorte im besetzten Osteuropa genutzt wurde. Sehr spät entschloss sich der Magistrat zu einem Verbot der antiisraelischen Demo – das, wie schon mehrmals seit dem 7. Oktober, gerichtlich kassiert wurde.

Und so musste auch diesmal die Frankfurter Polizei, deren Präsident Stefan Müller den Schutz jüdischen Lebens zur »zentralen Aufgabe« erklärt hat, die Nachlässigkeit von Kommunalpolitik und Justiz ausbaden – und etwa die Verharmlosung der Schoa und des 7. Oktober 2023 durch einen Redner auf der Gaza-Demo unterbinden.

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Am letzten Sommertag versammelten sich jüdische und nicht jüdische Frankfurter am Opernplatz, um gemeinsam gegen Antisemitismus und für Israel und die Geiseln einzustehen. Die eher spärlich besuchte Kundgebung fand in fußläufiger Entfernung zur Westend-Synagoge statt. Angesichts der bald beginnenden Hohen Feiertage täte eine Zeit der inneren Befragung nach diesem dunklen Sommer den Frankfurterinnen und Frankfurtern gut: Kann die jüdische Geschichte und Gegenwart dieser Stadt wirklich so vielen derart egal sein?

Der Autor ist freier Journalist in Frankfurt am Main.

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