Sabine Brandes

Recht auf Abtreibung: Froh, Jüdin zu sein

Sabine Brandes Foto: privat

Sabine Brandes

Recht auf Abtreibung: Froh, Jüdin zu sein

Nur wenige Tage nach den Nachrichten aus den USA wurde in Israel ein Gesetzesentwurf eingebracht, der die Ansprüche von Frauen stärken soll

von Sabine Brandes  30.06.2022 08:25 Uhr

Vier Männer und eine Frau. Das ist die Zusammensetzung der Obersten Richter, die das Recht auf Abtreibung in den USA nach fünf Jahrzehnten beendeten. Die vier Männer hätten nicht ungewollt schwanger werden können. Der einzigen Richterin, Amy Coney Barrett, ist es wahrscheinlich nie passiert. Sonst hätte sie diese Entscheidung unmöglich unterstützen können.

Eine Entscheidung, die Frauen das Recht am eigenen Körper abspricht und sich auf eine christlich-fundamentalistische Ideologie beruft, ungeborenes Leben in jedem Fall zu schützen. Ist eine Abtreibung in einem US-Staat generell verboten, wird eine Frau dort gezwungen sein, ein Kind auszutragen. Auch nach Vergewaltigung oder Inzest, wenn sie minderjährig ist, und sogar dann, wenn das Baby als nicht lebensfähig gilt oder das Leben der Schwangeren in Gefahr ist.

»Wertevorstellung« Man braucht keine studierte Frauenrechtlerin zu sein, um zu begreifen, dass diese »Wertevorstellung« kein Leben schützt, sondern es zerstört. Einer, dem das sofort klar war, ist der israelische Gesundheitsminister Nitzan Horowitz. Ein Mann. Nur wenige Tage nach den Nachrichten aus den USA brachte er einen Gesetzesentwurf ein, der das Abtreibungsrecht in Israel besser machen soll. Für die Frauen.

Schon jetzt ist in Israel eine Abtreibung in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

Schon jetzt ist in Israel eine Abtreibung in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, etwa wenn die Frau unverheiratet oder minderjährig ist, bei Vergewaltigung und Inzest oder wenn ein schwerer Geburtsfehler beim Fötus diagnostiziert wurde. Und selbstverständlich, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet ist.

ausschuss Allerdings muss jede Schwangere vor einen Ausschuss, um die Abtreibung genehmigen zu lassen. Und damit hat Horowitz ein Problem. Denn das sei »chauvinistisch, veraltet und deutet darauf hin, dass die Ansprüche einer Frau nicht relevant sind«. Recht hat er. Jetzt will er erreichen, dass ein Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimester in Israel für alle Frauen möglich und legal ist.

Michal Rozin von der Meretz-Partei brachte es anschließend auf den Punkt: »Das Judentum erkennt Frauen an. Es ist ein Grund zum Stolz – und ich bin froh, Jüdin zu sein.« Recht hat sie.

Die Autorin ist Israel-Korrespondentin dieser Zeitung und lebt in Tel Aviv.

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  17.12.2025

Meinung

Warum ich Sydney nicht verlassen werde

Der Terroranschlag von Bondi Beach wurde auch möglich, weil die Mehrheitsgesellschaft den Antisemitismus im Land ignoriert hat. Unsere Autorin sagt trotzdem: Ihre Heimat als Jüdin ist und bleibt Australien

von Amie Liebowitz  17.12.2025

Meinung

Die Empörung über Antisemitismus muss lauter werden

Der Anschlag von Sydney war in einem weltweiten Klima des Juden- und Israelhasses erwartbar. Nun ist es an der Zeit, endlich Haltung zu zeigen

von Claire Schaub-Moore  17.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

Meinung

Xavier Naidoos antisemitische Aussagen? Haken dran!

Der Mannheimer Sänger füllt wieder Konzertsäle. Seine Verschwörungserzählungen über Juden und holocaustrelativierenden Thesen scheinen kaum noch jemanden zu stören

von Ralf Fischer  15.12.2025

Charlotte Knobloch

Pessimismus können wir uns nicht leisten

Nach dem Terror in Sydney fragen sich auch Juden hierzulande erneut: Wohin? Deutschland hat bewiesen, dass es jüdischen Menschen eine Heimat sein kann und will, meint die Münchner Gemeindechefin

von Charlotte Knobloch  15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert