Kommentar

Nur zweite Wahl?

Michael Thaidigsmann Foto: Privat

Dass Friedrich Merz bei der Kanzlerwahl zittern musste, darf er vor allem seinem Agieren in der Migrationspolitik zuschreiben, als er eine Mehrheit mit der AfD billigend in Kauf nahm. Auch mit der Lockerung der Schuldenbremse direkt nach der Wahl hat Merz viele vergrätzt.

Erstmals seit 1949 brauchte ein Kanzlerkandidat im Bundestag mehr als einen Wahlgang, um gewählt zu werden. Hätte es auch im zweiten Anlauf nicht geklappt, Deutschland wäre fast auf den Tag genau 80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus in eine schwere Staatskrise geschlittert.

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Am Ende löste sich doch noch alles in Wohlgefallen auf. Aber Fragen bleiben: Wer waren die »Heckenschützen«, die Merz trotz der breiten Zustimmung zum Koalitionsvertrag, trotz der Alternativlosigkeit der CDU/CSU-SPD-Koalition, in geheimer Wahl die Gefolgschaft verweigerten? Was beabsichtigten sie damit?

Wollten sie nur Dampf ablassen? Falls ja, dann war es der falsche Moment. Waren sie sauer, weil sie bei der Vergabe der Kabinettsposten nicht zum Zug gekommen waren? Oder wollten sie die Bildung einer neuen Regierung unter Führung von Merz torpedieren? 

Egal, was der Grund war: Jene Abgeordneten der Koalition, die der neuen Bundesregierung schon am Tag 1 das Misstrauen aussprachen, haben den Schuss nicht gehört. Die AfD wird immer stärker, während das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit der Politik rapide abnimmt. Die demokratische Mitte zerbröselt und das Ausland fragt sich, was nur Deutschland geworden ist, dem einstigen Stabilitätsanker in Europa.

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Mit Heckenschützenmentalität und verantwortungsloser Lust am Zündeln haben einige Parlamentarier mutwillig den guten Ruf unseres Landes aufs Spiel gesetzt. Ja, Merz hat mit seinem Verhalten sein Scherflein beigetragen, er ist unpopulär. Man muss den neuen Kanzler nicht mögen. Aber eine Chance geben sollte man ihm schon.

Vor allem aber sollte man jederzeit seiner Verantwortung als Abgeordneter nachkommen. Wer Merz partout nicht wählen kann und will, möge das bitte offen sagen. So viel Transparenz gehört zur Demokratie dazu.

thaidigsmann@juedische-allgemeine.de

Kommentar

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