Kommentar

Nicht mehr ernst zu nehmen

Kritisiert Israel scharf: Josep Borrell (76) Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Rund zehn Monate bleiben Josep Borrell noch im Amt des Hohen Beauftragten der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Zehn Monate, die der Spanier nicht nur nutzen will, um einen ambitiösen Friedensplan für den Nahen Osten voranzubringen, dessen Grundzüge am Wochenende bekannt wurden. Sondern auch zehn Monate, in denen Borrell offenbar noch ein paar alte Rechnungen zu begleichen hat. Einer der Adressaten: Israel und die rechtsgerichtete Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Am Freitag bekam Borrell die Ehrendoktorwürde der Universität Valladolid verliehen. Dort hatte er vor 40 Jahren als außerordentlicher Professor gelehrt – für Mathematik. Während der Zeremonie trug er nicht nur einen seltsamen gelben Hut. Borrell hielt auch eine seltsame Rede, in der er Israel offen beschuldigte, die Hamas jahrelang nicht nur finanziert, sondern sogar mitgeschaffen zu haben. Das sei passiert, um die Palästinensische Autonomiebehörde unter der Führung der Fatah zu schwächen, behauptete der frisch gebackene Doktor honoris causa. Belege für seine These lieferte Borrell nicht.

International seien alle für die Zwei-Staaten-Lösung, nur Israel nicht, sagte Borrell weiter. Auch das ist eine Behauptung, die in dieser Simplizität nicht stimmt. Warum viele Israelis mit einer Zwei-Staaten-Lösung ein Problem haben, diskutierte der Ehrendoktor in seiner Rede in Valladolid nicht. Könnte es sein, dass sie weder in der Hamas noch in der Fatah von Palästinenserführer Mahmud Abbas einen echten Partner für einen Deal sehen?

Doch auf den letzten Metern seiner Amtszeit juckt es den EU-Außenbeauftragten wenig, wie seine Interventionen ankommen und ob sie Stirnrunzeln verursachen. Im Gegenteil: Borrell legt es mittlerweile darauf an, die israelische Seite zu provozieren.

Er wird wissen, dass er mit seinen undiplomatischen Worten nur noch mehr Porzellan zerschlagen wird. Nicht nur gegenüber Israel, auch innerhalb der EU. Gerne wäre Borrell der EU-Chefdiplomat. Doch dafür müsste er die Mitgliedsstaaten hinter sich haben, denn ohne sie sind seine Ansagen nur hohle Worte. In der Nahostpolitik gibt es im Brüsseler Außenministerrat, der einstimmig entscheiden muss, aber keine Einigkeit - allen Bekundungen für die Zwei-Staaten-Lösung und Rufen nach einem Waffenstillstand zum Trotz.

Anstatt diese Einigkeit herbeizuführen, hat Borrell nun ein sogenanntes Non-Paper vorgelegt, in dem er einen Weg zu einem Palästinenserstaat skizziert, der förmlich von außen – also wenn nötig auch ohne die Zustimmung Israels – durchgesetzt werden soll.

Mit seinem einseitigen, israelkritischen Kurs macht Josep Borrell sich zwar lieb Kind bei arabischen Staaten und auch in Teilen der europäischen Öffentlichkeit. Fortschritte im Friedensprozess wird er damit aber kaum erreichen. Denn eine dauerhafte Lösung wird es nur geben (darin waren sich bislang auch die Europäer einig), wenn beide Seiten, Palästinenser und Israelis, sie aushandeln und ihr am Ende zustimmen. Borrell aber glaubt, es brauche nur mehr Druck auf Israel, um voranzukommen. Eine naive Vorstellung.

Sukzessive Regierungen in Jerusalem haben den Spanier aber schlicht nicht ernst genommen, ja, ihn jahrelang nicht einmal nach Jerusalem eingeladen. Wer kann es ihnen angesichts der ständigen Ausfälligkeiten Borrells verdenken?

Und auch Borrells Non-Paper ist ein Non-Starter.

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