Gila Baumöhl

Mehr Frauen in die erste Reihe!

Wie sich die Geschlechtergerechtigkeit in jüdischen Gemeinden und Organisationen verbessern lässt

von Gila Baumöhl  06.01.2023 14:50 Uhr

Gila Baumöhl Foto: privat

Wie sich die Geschlechtergerechtigkeit in jüdischen Gemeinden und Organisationen verbessern lässt

von Gila Baumöhl  06.01.2023 14:50 Uhr

»Bringen Sie den Kuchen mit?« oder »Wer passt eigentlich auf Ihre Kinder auf, während Sie mit uns im Meeting sitzen?« – für die Mehrheit der berufstätigen Frauen klingen diese Fragen nicht überraschend, denn viele von ihnen mögen vergleichbare Situationen erlebt haben. In diesem Fall stammen die Berichte von Sara Winkowski und Wendy Kahn.

Beide Frauen haben Ämter in der jüdischen Gemeinschaft übernommen. Wendy Kahn ist Geschäftsführerin des South African Jewish Board of Deputies, Sara Winkowski ist eine Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses (WJC) und war die erste Vizepräsidentin der jüdischen Gemeinschaft in Uruguay.

Ihr Erfahrungsaustausch war Teil eines Seminars des WJC Jewish Diplomatic Corps, einem internationalen Netzwerk jüdischer Professionals. Engagierte Mitglieder des Netzwerks haben 2020 eine Taskforce zur Repräsentation von Frauen in jüdischen Organisationen gegründet. Bereits 2016 hatte die Co-Koordinatorin der heutigen Taskforce, Déborah Lichentin, kritisiert, dass bei einer Konferenz nur etwa 20 Prozent der Panelisten weiblich waren.

DEBATTE Die Themen Diversität, Repräsentation sowie Zugänge zu Positionen und Ressourcen prägen nicht nur in Deutschland die gesellschaftliche Debatte. Auch in der jüdischen Welt rücken diese Fragen zunehmend in den Fokus. Denn nur zehn Prozent der Vorsitzenden von nationalen jüdischen Dachverbänden sind Frauen. In zahlreichen Gemeindevorständen und -gremien sind wenige bis keine Frauen vertreten. Die Gründe sind vielschichtig. Häufig sind es die Strukturen, die Kultur oder die bestehenden Netzwerke, die erschweren, dass Frauen sich in gleichem Maße einbringen wie Männer. Dabei gibt es viele Frauen, die sich gern engagieren würden.

Der Jüdische Weltkongress hat die Repräsentation von Frauen auf seine Agenda gesetzt. Drei wichtige Maßnahmen wurden bereits ergriffen: Erstens hat der WJC Marie van der Zyl, die Präsidentin des Board of Deputies of British Jews, zur Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion ernannt. Zweitens verabschiedete die Generalversammlung 2021 eine Resolution zu Einheit und Inklusivität in der jüdischen Führung. Dazu zählt drittens auch der Hinweis auf ein »Panel Pledge«, um die Sichtbarkeit und die Beteiligung von weiblichen Führungskräften in Foren zu erhöhen.

In erster Linie müssen Hindernisse abgebaut und Strukturen aufgebaut werden, die Geschlechtergerechtigkeit und Diversität ermöglichen.

Das »Panel Pledge« sieht eine Teilnahme an Podien nur dann vor, wenn eine ausgewogene Beteiligung der Geschlechter gewährleistet ist. Ist das nicht der Fall, sollten geeignete Frauen vorgeschlagen werden. In letzter Konsequenz kann die eigene Teilnahme an der Gesprächsrunde abgesagt werden.

ZUGANG Was kann also getan werden, um den Zugang von Frauen zu Führungspositionen in der jüdischen Welt zu erleichtern? In erster Linie müssen Hindernisse abgebaut und Strukturen aufgebaut werden, die Geschlechtergerechtigkeit und Diversität ermöglichen. Das beinhaltet, bestehende Denkmuster und Arbeitsweisen zu reflektieren und zu ändern. Dazu wiederum bedarf es eines Wandels hin zu einer Kultur, in der Gleichberechtigung, Diversität und Inklusion möglich und gewünscht sind. Für Frauen bedeutet mehr Teilhabe auch: Netzwerke knüpfen, sich über bewährte Methoden austauschen und sich empowern – sei es durch Weiterbildung, Coaching oder Mentoring.

Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus. Warum also sollten sie nicht in gleichem Maße Ämter innehaben und mit­entscheiden? Der Kuchen wird nicht kleiner, nur weil man ihn teilt. Und übrigens: Es sollten nicht immer die Frauen sein, die den Kuchen backen und mitbringen. Denn Kuchen kann man(n) auch kaufen.

Die Autorin ist Politologin und Mitglied des World Jewish Congress (WJC) Jewish Diplomatic Corps.

Meinung

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Nils Kottmann

Israels Existenzrecht ist keine Provokation, sondern Staatsräson, Frau Özoğuz

Noch während Iran den jüdischen Staat attackierte, gab die Bundestagsvizepräsidentin (SPD) bereits Israel die Schuld an dem Angriff auf seine Bürger

von Nils Kottmann  25.04.2024

Michael Thaidigsmann

Die UNRWA-Prüfung hat keine Konsequenzen

Der Prüfbericht liegt vor, Berlin nimmt seine Förderung des Palästinenserhilfswerks wieder auf. Das könnte sich noch rächen

von Michael Thaidigsmann  25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Die wenigsten ägyptischen Juden haben ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024

Meinung

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Meinung

Den Ball flach halten

Warum die israelische Antwort auf den iranischen Angriff vom vergangenen Wochenende eher verhalten ausgefallen ist

von Ralf Balke  19.04.2024

Thüringen

Die Betroffenen nicht im Stich lassen

Es braucht den langfristigen Ausbau der fachspezifischen Gewaltopferberatungsstellen

von Franz Zobel  17.04.2024

Frederik Schindler

Zeit für eine neue deutsche Iran-Politik

Deutschland sollte das Mullah-Regime nicht länger hofieren, sondern unter Druck setzen

von Frederik Schindler  17.04.2024