Tatiana Kvetnaya

Jüdische Studierende: Gelebte Normalität?

Jüdinnen und Juden an deutschen Universitäten wollen nicht auf Antisemitismus und Nahostkonflikt reduziert werden. Die Realität holt sie aber immer wieder ein

von Tatiana Kvetnaya  11.05.2023 11:29 Uhr

Tatiana Kvetnaya Foto: privat

Jüdinnen und Juden an deutschen Universitäten wollen nicht auf Antisemitismus und Nahostkonflikt reduziert werden. Die Realität holt sie aber immer wieder ein

von Tatiana Kvetnaya  11.05.2023 11:29 Uhr

In dieser Woche zeigen sich jüdische Studierende erneut bei Infoständen, Podiumsdiskussionen und Filmabenden in ganz Deutschland: Bei der 3. Jüdischen Campuswoche soll ein positives Bild vom jungen Judentum abseits der belastenden Trias aus Schoa, Antisemitismus und Nahostkonflikt vermittelt werden.

Dahinter steckt auch der Wunsch junger Juden, nicht mehr als unverstandene Exoten von der deutschen Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen zu werden, sondern als ihre aktiven Mitgestalter. Ein Stück Normalität also?

ironie Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass – obwohl die Campuswoche jene leidigen Themen überwinden möchte – sie gerade dann wieder schmerzlich relevant werden. Da sind zum einen die Widerstände, auf die Studierende stoßen, wenn Universitätsverwaltungen Anträge auf Aktivitäten wie Infostände ignorieren oder ablehnen.

Der vermutete Grund: Religiöse Gruppen sind auf dem Campus nicht gern gesehen. Das verkennt, dass das Judentum mehr als nur eine Religion ist, sondern auch eine Volkszugehörigkeit und Kultur, deren Angehörige deutsche Universitäten seit Jahrhunderten mitgeprägt haben.

Jüdische Studierende sind mitnichten vollständig im Universitätsbetrieb akzeptiert.

Auch in den restlichen 51 Wochen des Jahres sind jüdische Studierende mitnichten vollständig im Universitätsbetrieb akzeptiert: So räumt das Hessische Hochschulgesetz seit 2021 jüdischen Studierenden das Recht ein, Ersatztermine für Prüfungen anzufordern, die auf jüdische Feiertage mit einem Arbeitsverbot fallen.

regelung Die meisten hessischen Hochschulen haben diese Regelung bis dato aber nicht umgesetzt: Nach wie vor liegt es an jüdischen Studierendenvertretungen, dieses Recht aktiv einzufordern. Und schließlich werden die Veranstalter auch in dieser Woche auf Sicherheitsmaßnahmen und Polizeibegleitung angewiesen sein.

Die herbeigesehnte Normalität scheint fern. Zu wünschen bleibt, dass es allen Teilnehmern der Campuswoche dennoch – oder gerade deswegen – gelingt, den Mut und die Lust daran weiterzutragen, für ein selbstbestimmtes jüdisches Leben zu streiten.

Die Autorin ist Vorstandsmitglied des Verbands Jüdischer Studierender Hessen.

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Nur eine Handvoll Mitglieder zählen die Gemeinden in Kairo und Alexandria heute. Jedoch haben die wenigsten Juden ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden gewaltvoll vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024

Meinung

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Meinung

Den Ball flach halten

Warum die israelische Antwort auf den iranischen Angriff vom vergangenen Wochenende eher verhalten ausgefallen ist

von Ralf Balke  19.04.2024

Thüringen

Die Betroffenen nicht im Stich lassen

Es braucht den langfristigen Ausbau der fachspezifischen Gewaltopferberatungsstellen

von Franz Zobel  17.04.2024

Frederik Schindler

Zeit für eine neue deutsche Iran-Politik

Deutschland sollte das Mullah-Regime nicht länger hofieren, sondern unter Druck setzen

von Frederik Schindler  17.04.2024

Sigmount A. Königsberg

Ein Dankeschön an die Polizei

Die Verantwortlichen bei der Berliner Polizei und der Senatsverwaltung für Inneres haben im Kampf gegen Antisemitismus viel dazugelernt

von Sigmount A. Königsberg  16.04.2024

Angriff des Iran

Ich war mal ein Fan von Ihnen, Frau Baerbock …

Ein Versuch, der Außenministerin die Augen zu öffnen

von Sarah Cohen-Fantl  16.04.2024

Sebastian Leber

Der »Palästina-Kongress« war ein Blick in den Abgrund der Solidarität

Dass die Israelhasser als vehementeste Fürsprecher für die palästinensische Sache wahrgenommen werden, ist ein Armutszeugnis

von Sebastian Leber  16.04.2024

Angriff des Iran

Israels Existenz steht auf dem Spiel

Israels Verbündete sollten den Vernichtungsfantasien der Mullahs endlich Glauben schenken, statt vor Eskalationsspiralen zu warnen

von Rafael Seligmann  15.04.2024