Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

Impfen am Schabbat? Mehr Feingefühl, bitte!

Seit Monaten wartete meine über 80-jährige Mutter wie viele andere Menschen darauf, endlich gegen Covid-19 geimpft zu werden. Es klappte. Sie bekam einen Termin über das Münchner Gesundheitsamt – jedoch ausgerechnet am Schabbat. Einen anderen Tag verweigerte ihr die Stelle.

Sie rief mich an. War es richtig, sich am Schabbat impfen zu lassen, nach Monaten des Wartens? Ich selbst vermutete gar einen potenziellen Bruch ihrer Menschenrechte und stellte genau diese Frage auf Facebook.

Die 43 Antworten kamen aus allen Ecken Deutschlands, Israels und Großbritanniens. Manche zeigten Bestürzung, andere, gerade die jüdischen Freunde, hatten eine deutliche Kernbotschaft: »Pikuach nefesh docheh Schabbat«: Menschenleben haben Vorrang selbst gegenüber dem Einhalten des Schabbats.

Koscheres Essen, Schabbat – so schwer ist das nicht, gerade wenn es nur um einen anderen Tag für einen Impftermin geht.

In Israel, berichtete ein Bekannter, werde sogar sieben Tage die Woche geimpft, eine andere Bekannte schrieb von einem Rabbiner in London, der das Vakzinieren am Schabbes sogar explizit erlaubt hätte. Es beruhigte uns.

PRAGMATISMUS Wünschenswert wäre dennoch, dass Behörden auf die paar kleinen Besonderheiten jüdischer Menschen eingehen könnten. Fragen der Vielfalt und Würde und wie Behörden im direkten Kontakt mit verschiedenen Menschen damit umgehen, muss ein erkennbarer integraler Teil des heutigen Dienstes sein und nicht nur ein schönes, aber leeres Bekenntnis. Koscheres Essen, Schabbat – so schwer ist das nicht, gerade wenn es nur um einen anderen Tag für einen Impftermin geht.

Am Ende sorgte der Termin – ausgerechnet am falschen Tag – in Kombination mit uraltem talmudischen Pragmatismus dafür, dass meine Mutter sich schließlich am vorvergangenen Samstag, Baruch Haschem, impfen lassen konnte. Ihre Zufriedenheit darüber war reine Schabbesfreude.

Der Autor ist Großbritannien-Korrespondent der »taz« in London.

Meinung

Zurück ins Mittelalter?

Die israelische Regierung will die Todesstrafe wieder einführen. Das ist geschichtsvergessen und verblendet

von Sophie Albers Ben Chamo  04.12.2025

Meinung

Wagenknechts Schiffbruch

Nur etwa zwei Jahre nach seiner Gründung steht das BSW vorm endgültigen Scheitern – eine gute Nachricht! Dennoch bleibt ein übler Nachgeschmack

von Ralf Balke  04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  01.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Wenn ein Botschafter Schoa-Überlebende zu Lügnern erklärt

Tom Rose, neuer US-Botschafter in Warschau, hat in einer Rede die Komplizenschaft Tausender Polen während des Holocaust bestritten. Das ist fatal für das Ansehen der USA

von Menachem Z. Rosensaft  29.11.2025

Meinung

Die Flucht der arabischen Juden

Einst lebten viele Juden in der muslimischen Welt. Es ist wichtig, an ihre persönlichen Geschichten von Exil und Mut zu erinnern

von Tair Haim  27.11.2025