Victor Isaak Eliezer

Historiker: Gefährliche Schoa-Relativierung

Wir müssen vehement auf jede Stimme reagieren, die den Nazismus lobt oder versucht, seine Verbrechen herunterzuspielen

von Victor Isaak Eliezer  17.06.2021 08:34 Uhr

Victor Isaak Eliezer Foto: pr

Wir müssen vehement auf jede Stimme reagieren, die den Nazismus lobt oder versucht, seine Verbrechen herunterzuspielen

von Victor Isaak Eliezer  17.06.2021 08:34 Uhr

In einem Interview mit der Nachrichtenseite t-online Anfang Juni bezüglich der Kriegsverbrechen der Wehrmacht im besetzten Griechenland behauptete der deutsche Historiker Hans A. Richter, der damalige dortige Militärverwaltungsrat, der Jurist Max Merten, sei zu einem »Kriegsverbrecher allerersten Ranges stilisiert« worden. Richters Versuch, Merten zu entlasten, ist Teil der Verfälschung und des Revisionismus der Geschichte des Holocaust. Leider geschieht dies unter wissenschaftlichem Deckmantel.

Mit ihrem Urteil vom 5. März 1959 entschied die griechische Justiz, dass Max Merten schuldig war für Verbrechen, die er während der deutschen Besatzung Griechenlands begangen hatte. Die Aussagen der Belastungszeugen, unter ihnen auch jüdische Griechen, waren ausschlaggebend für den Ausgang des Prozesses und die Verurteilung Mertens.

Hans A. Richters Versuch, den »Schlächter von Thessaloniki« Max Merten reinzuwaschen, ist empörend und besorgniserregend.

Zweifellos, die demokratisch verankerte Freiheit der Meinungsäußerung und der Wert der historischen Forschung sind ein hohes Gut. Gerade deshalb ist Richters Versuch, Max Merten reinzuwaschen, empörend und besorgniserregend. Denn Daten, Fakten und Quellen halten namhafte Wissenschaftler wie der Historiker Hagen Fleischer und der Rechtsanwalt Gerrit Hamann Richters Relativierung entgegen – deren Forschungsergebnisse Richter als »sogenannt« herunterspielt. 67.000 jüdische Griechen verloren ihr Leben während der Schoa.

VERZERRUNG Merten war der »absolute Herrscher« von Thessaloniki, der Stadt mit der größten jüdischen Gemeinde Griechenlands. Zusammen mit Alois Brunner, Leiter des SS-Sonderkommandos zur »Endlösung der Judenfrage«, und Dieter Wisliceny, »Beauftragter für jüdische Angelegenheiten« für die Slowakei, Ungarn und Griechenland, hatte er es geschafft, Thessaloniki innerhalb nur weniger Monate »judenrein« zu machen: 45.000 Juden Thessalonikis wurden mit Gewalt verschleppt und in den Nazi-Todeslagern umgebracht.

Die Verzerrung der historischen Wahrheit ist hochgefährlich. Sie belohnt die Bemühungen all derjenigen, die die »Endlösung« geplant, umgesetzt und unterstützt haben. Wenn wir eine Gesellschaft aufbauen wollen, die es nicht zulässt, dass der Holocaust noch einmal passiert oder der Fanatismus und die Ideologie, die zu ihm geführt haben, sich wieder durchsetzen, dann müssen wir vehement auf jede Stimme reagieren, die den Nazismus lobt oder versucht, seine Verbrechen herunterzuspielen. Auch auf die von Hans A. Richter.

Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Griechenland.

Meinung

Die ARD, der »Weltspiegel« und die verfolgten Christen in Israel

Dass jüdische Extremisten Christen in Israel angreifen, ist eine Schande. Eine Schande ist zugleich auch, dass die ARD dies nicht benennen kann, ohne antisemitische Klischees zu gebrauchen

von Daniel Killy  02.10.2023

Julien Reitzenstein

Unheiliger Täterschutz

Warum die Katholische Kirche Papst Pius XII. unter keinen Umständen heilig sprechen sollte

 28.09.2023

Joshua Schultheis

Adidas: Gehen Sie in Ihr Archiv, Herr Gulden!

Die Zusammenarbeit mit einem Antisemiten steht keinem Unternehmen gut zu Gesicht. Schon gar nicht einer Firma, die Hitlers Vernichtungskrieg mit ermöglichte und von diesem profitierte

von Joshua Schultheis  28.09.2023

Meinung

Bornplatzsynagoge: Ein Votum, das Mut macht

Der Parlamentsbeschluss zum Wiederaufbau des Gotteshauses in Hamburg macht Hoffnung – weit über die Hansestadt hinaus

von Daniel Killy  27.09.2023 Aktualisiert

Meinung

Reichsbürger als Fake Jews: eine makabere Strategie

Ausgerechnet die Rechtsextremisten wollen plötzlich Juden sein

von Julian Feldmann  26.09.2023

Oleg Shevchenko

Thüringen: Brücke statt Brandmauer

Die AfD wird gefährlich normalisiert, und demokratische Parteien geben ihr Rückendeckung

von Oleg Shevchenko  21.09.2023

Meinung

Die Aiwanger-Affäre bedeutet Grünes Licht für Antisemiten

Der Fall zeigt, dass Wählerstimmen und Koalitionen mehr zählen als das viel beschworene »Nie wieder!«

von Hanna Veiler  20.09.2023

Alexander Friedman

Putin und sein Hass auf Selenskyj

Der Kreml-Chef möchte die Ukraine als »Nazi-Staat« delegitimieren und setzt auf das probate Mittel Antisemitismus

von Alexander Friedman  14.09.2023

Menachem Z. Rosensaft

Hände weg von Yad Vashem!

Wenn es um die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem geht, hat die Diaspora das Recht, ihre Stimme zu erheben

von Menachem Z. Rosensaft  14.09.2023