Axel Drecoll

Hier ist es gewesen: Vermittlung vor Ort

Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen Foto: picture alliance/dpa

Erinnerung ohne Zeitzeugen? Diese Frage wird häufig gestellt, und sie ist durch die Pandemie noch einmal besonders virulent geworden. Mitten in die Vorbereitungen zum 75. Jahrestag der Befreiung im Jahr 2020 platzten die Nachrichten über das Virus. Kurze Zeit später mussten Flüge storniert und Veranstaltungen abgesagt werden.

Für uns, die wir in Gedenkstätten arbeiten, fehlen die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen als eminent wichtige Persönlichkeiten. Der Austausch mit ihnen bestärkt uns, gibt uns Richtung und Gewissheit über die Wichtigkeit unseres Engagements.

überlebende Es sind die Autorität der Persönlichkeit, die Ausstrahlung des selbst Erlebten und die Kraft der individuellen Erzählung, die die zutiefst inhumane, kaum fassbare Dimension der NS-Verbrechen biografisch verorten und fassbarer machen. Diese Art der Erinnerung durch Begegnung, die durch die Begegnungswirkung bereits einen zukunftsweisenden Kern in sich trägt, ist nicht zu ersetzen. Und dennoch: Seit Jahren arbeiten Gedenkstätten auch ohne Überlebende.

Die meisten Menschen, die zu uns kommen, sind nie einem Zeitzeugen oder einer Zeitzeugin begegnet. Es gibt tragfähige Konzepte, um in Zukunft Aufarbeitung und Erinnerung zu gewährleisten.

Das »Hier ist es gewesen« verbindet sich mit der persönlichen Auseinandersetzung.

Eines jedoch verdeutlichen die in der Pandemie notwendigen Kontaktbeschränkungen in jedem Fall schmerzlich. Die Arbeit der Gedenkstätten basiert auf der Begegnung am Ort der Verbrechen. Das »Hier ist es gewesen« verbindet sich mit der persönlichen Auseinandersetzung. Fragen nach dem Leid der Opfer und der Motivation der Täter evozieren auch solche nach dem Respekt vor meinem Gegenüber, der Achtung von Vielfalt, dem Anderssein jeder individuellen Persönlichkeit.

Dass diese Würde jedes Menschen tatsächlich unantastbar ist, unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe, erschließt sich letztlich nur in der persönlichen Begegnung und nicht über Kacheln auf dem Bildschirm. Hoffen wir, dass uns die Pandemie die Notwendigkeit des respektvollen Miteinanders deutlich vor Augen führt – und den Reichtum, der dadurch entsteht.

Der Autor ist Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen.

Sigmount A. Königsberg

Mendel, Waters und »Der Spiegel«

Der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank hat einem Musiker, der immer wieder mit antisemitischen Aussagen auffällt, einen Koscher-Stempel verpasst

von Sigmount A. Königsberg  23.03.2023

Nathalie Schomerus

Die Jüdischen Gemeinden müssen nachhaltiger werden

Auch die jüdische Gemeinschaft ist in der Pflicht, die Umweltverschmutzung zu bekämpfen

von Nathalia Schomerus  17.03.2023

Einspruch

Rechtsextreme als Schöffen verhindern

Doron Rubin plädiert dafür, die Verfassungstreue von Schöffen gesetzlich zu verankern

von Doron Rubin  17.03.2023

Lamya Kaddor

Tödlicher Antijudaismus

Die menschenverachtende und antisemitische Ideologie des Hamburg-Attentäters war bekannt. Hätte der Amoklauf verhindert werden können?

von Lamya Kaddor  14.03.2023

Ruben Gerczikow

Sportvereine: Kein Handschlag mit Nazis

Die Mär vom unpolitischen Sport muss endlich grundsätzlich hinterfragt werden

von Ruben Gerczikow  10.03.2023

Meinung

Die Hoffnung nicht verlieren

Unsere Redakteurin sorgt sich wegen der Justizreform um Israels Zukunft – und will gerade deshalb den Kontakt nicht abreißen lassen

von Ayala Goldmann  07.03.2023

Hajo Funke

Ein Mittel der Holocaust-Leugnung

Der Inhalt der gefälschten Hitler-Tagebücher wurde erst jetzt rekonstruiert und veröffentlicht – sie offenbaren einen Abgrund an Verzerrung, Geschichtsklitterung und Dreistigkeit

von Hajo Funke  03.03.2023

Aras-Nathan Keul

Symbol einer verfehlten Iran-Politik

Das Islamische Zentrum Hamburg ist laut Verfassungsschutz ein Außenposten der Islamischen Republik – und konnte sich dennoch auf der Leipziger Buchmesse für einen Stand anmelden

von Aras-Nathan Keul  03.03.2023

Meinung

Ethisch und moralisch am Ende

Die Reaktion von Rabbiner Walter Homolka auf das Urteil des Landgerichts Berlin lässt einmal mehr tief blicken

von Philipp Peyman Engel  01.03.2023