Andreas Nachama

Geschichte und Verantwortung

Es ist ein peinlicher Rückfall in die Jahre des Verdrängens, eine Firmenstudie zur NS-Vergangenheit unter Verschluss zu halten

von Andreas Nachama  19.12.2019 10:49 Uhr

Historiker Andreas Nachama Foto: Chris Hartung

Es ist ein peinlicher Rückfall in die Jahre des Verdrängens, eine Firmenstudie zur NS-Vergangenheit unter Verschluss zu halten

von Andreas Nachama  19.12.2019 10:49 Uhr

Mit Beginn der fabrikmäßigen Tötung europäischer Juden in den Vernichtungslagern ging eine Transportaufgabe einher, denn die Juden aus dem »Altreich« und aus den besetzten Ländern mussten von den Orten, an denen sie lebten oder interniert waren, oft über große Distanzen transportiert werden.

Wie der »Spiegel« berichtet, hat die »DER-Touristik-Group« bei dem renommierten Kölner Geschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um herauszufinden, was ihr Vorgängerunternehmen »Das Mitteldeutsche Reisebüro«, das während des Zweiten Weltkriegs Umsatzrekorde durch den Transport von Juden und Zwangsarbeitern erwirtschaftete, in dieser Zeit tatsächlich unternommen hat.

Klar ist, dass die seit dem Jahr 2000 im Rewe-Konzern angesiedelte Reisesparte ab 1942 offenbar alle Transporte aus Frankreich, den Niederlanden und Belgien nach Auschwitz organisiert hat. Zudem hat das Unternehmen Fahrkarten an viele Emigranten verkauft, die Europa in der NS-Zeit noch verlassen konnten.

Das Reisebüro hatte ab 1942 offenbar alle Transporte aus Frankreich, den Niederlanden und Belgien nach Auschwitz organisiert.

Der »Spiegel« schreibt, dass in den Selbstdarstellungen von »DER« die NS-Zeit keine Erwähnung findet, die dem Konzern vorliegende Studie nur zur »Selbstvergewisserung« in Auftrag gegeben wurde und nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sei.

VERANTWORTUNG Außenministerium, Arbeitsministerium, Justizministerium und nicht wenige Unternehmen haben in den vergangenen Jahren ihre NS-Geschichte in materialreichen Buchpublikationen und oft sogar in Ausstellungen dokumentiert. Diese Bemühungen wurden nicht nur von Historikern, sondern auch von einer breiten Öffentlichkeit mit Respekt aufgenommen.

Es ist ein peinlicher Rückfall in die Jahre des Verdrängens, Beschönigens und Totschweigens, eine solche Studie unter Verschluss zu halten. Keiner, der heute Verantwortung trägt, ist schuldig am Handeln in der NS-Zeit, aber zu mehr als »Selbstvergewisserung« sollte man 75 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit Verantwortung zu tragen bereit sein.

Der Autor ist Historiker und Rabbiner in Berlin.

Meinung

Die Jüdischen Gemeinden müssen nachhaltiger werden

Auch die jüdische Gemeinschaft ist in der Pflicht, die Umweltverschmutzung zu bekämpfen

von Nathalia Schomerus  17.03.2023

Einspruch

Rechtsextreme als Schöffen verhindern

Doron Rubin plädiert dafür, die Verfassungstreue von Schöffen gesetzlich zu verankern

von Doron Rubin  17.03.2023

Lamya Kaddor

Tödlicher Antijudaismus

Die menschenverachtende und antisemitische Ideologie des Hamburg-Attentäters war bekannt. Hätte der Amoklauf verhindert werden können?

von Lamya Kaddor  14.03.2023

Ruben Gerczikow

Sportvereine: Kein Handschlag mit Nazis

Die Mär vom unpolitischen Sport muss endlich grundsätzlich hinterfragt werden

von Ruben Gerczikow  10.03.2023

Meinung

Die Hoffnung nicht verlieren

Unsere Redakteurin sorgt sich wegen der Justizreform um Israels Zukunft – und will gerade deshalb den Kontakt nicht abreißen lassen

von Ayala Goldmann  07.03.2023

Hajo Funke

Ein Mittel der Holocaust-Leugnung

Der Inhalt der gefälschten Hitler-Tagebücher wurde erst jetzt rekonstruiert und veröffentlicht – sie offenbaren einen Abgrund an Verzerrung, Geschichtsklitterung und Dreistigkeit

von Hajo Funke  03.03.2023

Aras-Nathan Keul

Symbol einer verfehlten Iran-Politik

Das Islamische Zentrum Hamburg ist laut Verfassungsschutz ein Außenposten der Islamischen Republik – und konnte sich dennoch auf der Leipziger Buchmesse für einen Stand anmelden

von Aras-Nathan Keul  03.03.2023

Meinung

Ethisch und moralisch am Ende

Die Reaktion von Rabbiner Walter Homolka auf das Urteil des Landgerichts Berlin lässt einmal mehr tief blicken

von Philipp Peyman Engel  01.03.2023

Reinhard Schramm

Maaßen, Prien und die CDU

Wie führende Parteimitglieder im Süden Thüringens den Spieß umdrehen und dabei der Partei Schaden zufügen könnten

von Reinhard Schramm  27.02.2023