Anina Valle Thiele

Europas Impfgegner vereint

Anina Valle Thiele Foto: privat

Anina Valle Thiele

Europas Impfgegner vereint

Eine Realität, in der Regierende in ihrem Privatleben bedroht werden, dürfen wir nicht zulassen

von Anina Valle Thiele  09.12.2021 11:00 Uhr

Demonstrationen militanter Impfgegner sind längst ins Herz Europas vorgedrungen. Während in Deutschland am vergangenen Freitag rund 30 Verwirrte skandierend vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping demonstrierten und Fackeln hochhielten, kam es in Luxemburg zu Ausschreitungen von 2000 militanten Impfgegnern auf einem Weihnachtsmarkt – für das kleine Luxemburg ist dies eine erschreckend hohe Teilnehmerzahl.

Offenbar war Verstärkung aus dem Ausland mobilisiert worden. Der Mob hielt Plakate hoch, auf denen mehrfach der Davidstern zu sehen war, Puppen des Premierministers Xavier Bettel mit der Aufschrift »responsable« sowie Plakate mit der Aufschrift »Pass nazitaire« (in SS-Runen).

DROHBRIEFE Vor den privaten Wohnhäusern der jüdischen Familienministerin Corinne Cahen und dem Haus des Premiers Xavier Bettel kam es vergangene Woche zu Demonstrationen. Mehrfach erhielten Cahen und Bettel Drohbriefe.

Zufall, dass gerade der offen homosexuelle Premier und eine Jüdin bedroht werden? Wohl kaum. Wer die Proteste der letzten Wochen beobachtet, merkt: Das sind nicht nur semantische Übergriffe. Niemand muss kritiklos einen (vermeintlichen) Konsens über zu treffende Maßnahmen hinnehmen – selbst zu denken, ist durchaus eine Tugend. Einen Weihnachtsmarkt zu stören, das muss eine Demokratie aushalten – einen antisemitischen Aufmarsch nicht.

Einen Weihnachtsmarkt zu stören, das muss eine Demokratie aushalten – einen antisemitischen Aufmarsch nicht.

Die Geschehnisse in Sachsen wie in Luxemburg zeigen: Ausschreitungen und Versammlungen vor privaten Wohnsitzen von Politikern sind kein Einzelphänomen, sondern ein europäisches Problem. Auf den Demonstrationen tummeln sich Rechtsextreme, wirre Kommunisten und Verschwörungstheoretiker aus dem Esoterikspektrum.

HASS Der grassierende Hass unter Impfgegnern mischt sich in Frankreich und Luxemburg mit offenem Antisemitismus. Die Stiftung »Fondation luxembourgeoise pour la Mémoire de la Shoah« (FLMS) spricht von »inakzeptablen Amalgierungen« und »unerträglichen Entgleisungen«.

Sich nicht impfen zu lassen oder gegen die Covid-Maßnahmen zu sein, wäre das eine, so FLMS-Präsident Laurent Moyse. Dies mit der Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg zu vergleichen, ist schlicht inakzeptabel.

Die Terminologie der Impfgegner auf solchen Demonstrationen markiert eine nicht nur semantische Grenzüberschreitung.

Die Terminologie der Impfgegner auf solchen Demonstrationen markiert eine nicht nur semantische Grenzüberschreitung. Denn wie wusste schon Walter Benjamin? Sprache spiegelt soziale Realität.

Eine europäische Realität, in der Impfgegner Regierende in ihrem Privatleben bedrohen und Nazi-Methoden vorwerfen und Nicht-Geimpfte mit im Nationalsozialismus verfolgten Juden gleichgesetzt werden, dürfen wir nicht zulassen.

Die Autorin ist Journalistin und lebt in Luxemburg.

Glosse

Gretas Törn

Wird es den zwölf Aktivisten, unter ihnen die Klima- und Palästina-Ikone Greta Thunberg, gelingen, Israels Seeblockade zu durchbrechen? Die Welt wartet gespannt

von Michael Thaidigsmann  06.06.2025

Medien

Deutschlands Oberlehrer

Wer will noch mal, wer hat noch nicht? In diesen Tagen scheint die Diffamierung Israels oberste Bürgerpflicht zu sein. Ein Kommentar

von Michael Thaidigsmann  06.06.2025 Aktualisiert

Meinung

Deutsch denken?

Wie die rechtsextreme AfD den Kulturbetrieb Sachsen-Anhalts umgestalten will. Ein Gastbeitrag von Kai Langer, dem Direktor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-​Anhalt

von Kai Langer  01.06.2025

Meinung

Im Würgegriff der deutschen Geschichte?

Die Kritik an Israels Kriegsführung in Gaza nimmt auch in Deutschland zu - und schon wird selbst in bürgerlichen Medien über das Ende eines vermeintlichen »Schuldkults« geraunt

von Klemens Elias Braun  01.06.2025

Kommentar

Die Palästinenser müssen von der Hamas und ihrer Ideologie befreit werden

Die Hamas droht, den kognitiven Krieg gegen Israel zu gewinnen. Dabei wäre die vollständige Niederlage der Terrororganisation nicht nur im Interesse des jüdischen Staates, sondern auch der Menschen in Gaza

von Roderich Kiesewetter  30.05.2025

Meinung

Berlin: Mordaufruf am Campus

In unmittelbarer Nähe der Humboldt-Universität wurde der bei einem antisemitischen Anschlag ermordete Yaron Lischinsky verhöhnt. Für jüdische Studierende wird der Raum, in dem sie angstfrei existieren können, immer kleiner

von Alexandra Krioukov  30.05.2025

Meinung

Der Schatten des Gabor Steingart

Der Publizist bejubelt die Kritik des Bundeskanzlers an Israels Kriegsführung: Endlich könne Deutschland aus dem »langen Schatten der Geschichte« heraustreten. Um Empathie mit den Palästinensern geht es dabei nicht

von Ralf Balke  29.05.2025

Meinung

Die lange Spur tödlicher Gewalt

Nach dem Anschlag von Washington tauchten in Berlin Bilder des Opfers Yaron Lischinsky und rote Dreiecke auf. Eine Bedrohung, die nicht hingenommen werden darf

von Marina Chernivsky  29.05.2025 Aktualisiert

Meinung

Europa darf die Brücke zu Israel nicht abreißen

Eine Mehrheit der EU-Staaten hat sich für die Überprüfung des Partnerschaftsabkommen mit Israel ausgesprochen. Das ist ein Fehler, findet die israelische Juristin und Wirtschaftsexpertin Nadja Davidzon

von Nadja Davidzon  28.05.2025