Die Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz, Israel mache die »Drecksarbeit für uns alle« im Krieg gegen das iranische Regime, schlägt gerade hohe Wellen. Nicht wenige finden es geschmacklos, wenn so über einen Krieg gesprochen wird, in dem auch Zivilisten ums Leben kommen. Andere verteidigen Merz’ Aussage als lang ersehnten Klartext zur brutalen Mullah-Herrschaft. Doch sie alle übersehen einen Aspekt in der Debatte, der wirklich kritikwürdig ist.
Natürlich stimmt es, dass die Schwächung des Regimes in Teheran auch »für uns« eine gute Nachricht ist. Schließlich sind die Mullahs weltweit für Terror und Gewalt verantwortlich. Dennoch bombardiert Israel gerade nicht iranische Atomanlagen, um »uns« zu schützen, sondern um das eigene Überleben zu sichern. Somit steckt im Kern der Aussage des Bundeskanzlers auch das Eingeständnis, dass man zur Erfüllung der deutschen Staatsräson – die Sicherheit Israels – über all die Jahre nicht mehr als einen anerkennenden Kommentar zu bieten hat.
Darum geht es denjenigen aber nicht, die Merz’ Aussage nun kritisieren. Vielmehr stört man sich moralisch an der Semantik, anstatt endlich eine neue Iranpolitik einzufordern – 2024 beliefen sich die deutschen Exporte in den Iran auf rund 1,28 Milliarden Euro. Gerade in den Reihen von SPD und Grünen, von denen deutsche Außenpolitik in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich mitgestaltet wurde, sollte man sich davor hüten, von einer Position der moralischen Überlegenheit herab zu argumentieren. Sollte man sie jemals gehabt haben, ist sie angesichts einer verfehlten Iranpolitik längst verspielt.
Israel kann nicht auf europäische Versuche, die Atombombe zu verhindern, warten, um dann enttäuscht zu werden.
Das kann man gut an den jetzt aus dieser Ecke schallenden Aufrufen zur Deeskalation festmachen. Wann kommen diese Forderungen? Nicht nachdem endgültig klar wurde, dass das iranische Regime seine Urananreicherung auf ein Niveau angehoben hat, das eine zivile Nutzung ausschließt, sondern nach dem israelischen Angriff auf genau dieses iranische Atomprogramm.
Diplomatie kann eine Waffe sein und es sollte immer die erste sein, zu der man greift, aber man muss es auch tun! Im JCPoA, dem Atomabkommen zwischen den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und dem antisemitischen Regime in Teheran legte man eine solche Waffe fest, ließ sie aber bis heute ungenutzt: Den Snapback-Mechanismus, der eine Rückkehr zu den Sanktionen gegen die Mullahs vor dem Abkommen bedeutet hätte. Wenn man ein solches Instrument in Händen hält und auch dann nicht nutzt, wenn das iranische Regime den Vertrag stetig bricht, macht man sich unglaubwürdig und lädt die Mullahs förmlich dazu ein, das Abkommen immer weiter auszuhöhlen.
Dies erinnert stark an das russische Verhalten nach dem Abschluss des Minsker Abkommens 2014. Auch hier zog das konsequente Missachten des Abkommens durch Russland keine ernstzunehmenden Konsequenzen durch die Europäer und vorerst auch die Amerikaner nach sich. Der russische Überfall der Ukraine war auch Konsequenz des Ausruhens auf einem Vertragswerk, welches schnell das Papier nicht mehr wert war, auf das man es geschrieben hatte. Der Job ist aber eben nicht abgeschlossen, wenn man einen Vertrag in Händen hält – er muss auch kontrolliert und eingehalten werden.
Israel ist nun einem zukünftigen, vielleicht gar atomaren, Angriff durch das iranische Regime zuvorgekommen. Es kann eben nicht auf europäische Versuche, die Atombombe zu verhindern, warten, um dann – wie die Ukraine – enttäuscht zu werden.
Gerade vor dem Hintergrund dieser eigenen europäischen Versäumnisse auf diplomatischem Terrain erscheinen Aufrufe aus einer gefühlten Position der moralischen Überlegenheit zur Deeskalation als verlogen und geschichtsvergessen. Den Begriff der Drecksarbeit als Eingeständnis des Versagens bei der Erfüllung der Staatsräson braucht es nicht, um das anzuerkennen, was immer offensichtlicher wird: Der Angriff Israels auf die Atomanlagen der Mullahs wird wohl einen viel bedeutenderen Beitrag zu nachhaltigem Frieden im Nahen Osten leisten als die zahnlose Diplomatie des Westens der vergangenen Jahre.
Der Autor ist Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG).