Katharina Schmidt-Hirschfelder

Erinnern braucht Emotion

Katharina Schmidt-Hirschfelder Foto: Marco Limberg

Als im Januar 1979 die amerikanische TV-Serie Holocaust in Deutschland ein Millionenpublikum aufwühlte, lag die Schoa nicht einmal 40 Jahre zurück, die Frankfurter Auschwitz-Prozesse knapp 15 Jahre. Debatten, wie künftig mit der Erinnerung an die Schoa umzugehen sei, gab es vor allem seit Mitte der 80er-Jahre.

Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus verlief seitdem sprunghaft – zwischen dem Wunsch nach Verdrängung oder »Schlussstrich« einerseits und der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen andererseits.

Neben einer zunehmenden Historisierung der Schoa trug zu dieser Auseinandersetzung nicht zuletzt auch eine neue Art medialer Vermittlung bei. So rüttelte Holocaust 1979 nachhaltig das deutsche Gewissen auf – eine Zäsur in der deutschen Erinnerungskultur. Denn bei allem Kitsch: Es gelang der Serie, die »Banalität des Bösen« mit individuellen Biografien zu verknüpfen.

HERAUSFORDERUNG Dass die Geschichte der fiktiven Arztfamilie Weiss solche Resonanz auslösen konnte, lag daran, dass sie die Ausgrenzung, Entrechtung und schließlich Ermordung der jüdischen Nachbarn als systematischen Prozess zeigte. Es lag aber auch daran, dass die Zuschauer die Protagonisten über viele Folgen kennenlernen, sich in ihr Leben, ihren Kummer, ihre Nöte einfühlen konnten. Damit eröffnete Holocaust eine emotionale Dimension, die den öffentlichen Diskurs erst entfachte.

Heute stehen wir vor der Herausforderung, die Vielfalt der emotionalen Zugangsebenen weiterhin zu ermöglichen, auch ohne Zeitzeugen. Denn gerade in Zeiten von YouTube, Snapchat und Instagram braucht Gedenken Emotion – damit Jugendliche, die längst eine andere Art Medienkonsum gewohnt sind als Holocaust, mit dem Begriff Auschwitz mehr verbinden als den Skandal um zwei Rapper.

Der Schlüssel zum Verständnis heißt Empathie. Und weist im besten Fall den Weg fürs eigene Handeln. Das gilt heute vielleicht noch mehr als im Jahr 1979.

Meinung

Die Columbia und der Antisemitismus

Ein neuer Bericht offenbart: An der US-Eliteuniversität sind die Nahoststudien ideologisch einseitig und jüdische Studenten nicht sicher. Es ist ein Befund, der ratlos macht

von Sarah Thalia Pines  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

Nahost

Warum Deutschland seine Botschaft nach Jerusalem verlegen sollte

Ein Kommentar von JA-Redakteur Imanuel Marcus

von Imanuel Marcus  21.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Meinung

Weitermachen oder die jüdische Resilienz

Verfolgung, Exil und Gewalt konnten es nicht brechen: Die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes prägt seine Geschichte bis heute

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Meinung

Unsere Antwort ist Leben!

Chanukka ist das beharrliche Bestehen darauf, dass Mord und Terror nicht das letzte Wort haben. Ein Kommentar zum Terroranschlag von Sydney

von Jan Feldmann  18.12.2025