Es ist nicht nur für Bundesinnenministerin Nancy Faeser der Super-GAU. Sondern auch für alle anderen, die befürchten, dass der demokratische Rechtsstaat von selbst ernannten »alternativen« oder »freien« Medien systematisch bekämpft wird – und dass dieser das auch noch ziemlich machtlos hinnehmen muss.
Die am Mittwoch im Eilverfahren verkündete Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, den Sofortvollzug des Verbots des rechtsextremen Monatsmagazins »Compact« vorläufig auszusetzen, wird in der Szene gewiss gefeiert. Denn auch wenn Faesers Ministerium mit der 79-seitigen Verbotsverfügung, die sich auf das Vereinsrecht bezog, formal alles richtig gemacht hat – inhaltlich schlug sich das Leipziger Gericht auf die Seite des Demagogen Jürgen Elsässer und seiner Mitstreiter.
Mit Zweifeln, ob die Compact-Beiträge so prägend sind, »dass das Verbot unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt ist«, wie es im Beschluss heißt. Bis die in einer aufwendigen Razzia gesicherten Beweise ausgewertet sind und ein Urteil im Hauptsacheverfahren fällt, werden vermutlich Monate, wenn nicht Jahre vergehen.
Es obsiegt die verlogene Erzählung, wonach der Rechtsstaat Regierungskritiker mundtot mache.
Es sind ausgerechnet die entscheidenden Wochen vor den Landtagswahlen in den AfD-Hochburgen Thüringen, Sachsen und Brandenburg und Monate vor der Bundestagswahl 2025, in denen Compact als Agitator für die extrem rechte AfD wirken kann – und, entsprechend seinem Querfront-Konzept, nebenbei auch für die Parteineugründung der Ex-Linken Sahra Wagenknecht.
Gewiss, Presse- und Meinungsfreiheit sind ein hohes Gut. Nun aber obsiegt die verlogene Erzählung, wonach der Rechtsstaat Regierungskritiker mundtot mache. Verbunden mit dem Vorwurf, dass die Bundesregierung beim Kampf gegen rechts zu oft über das Ziel hinausschieße. Eine Erzählung, die auch mit der Compact-Persiflage namens »Näncy« fortgeschrieben wurde.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat zu Recht betont, dass Compact Teil einer radikalen Bewegung sei, »die unsere offene freiheitliche Gesellschaft und die liberale Demokratie an sich zerstören will«, wie er der Jüdischen Allgemeinen sagte. Er ist davon überzeugt, dass die Innenministerin die Rechtsstaatlichkeit ihres Vorgehens geprüft hat.
Das hat sie gewiss auch getan – aber die Justiz hat sich zum Anwalt der Feinde des Rechtsstaats gemacht. Wer den Aufwuchs der rechtsextremen Propagandamaschinerie seit Jahren beobachtet, muss zu dem Ergebnis kommen, dass ein Verbot des Leitmediums Compact nichts mit einer Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit zu tun hat.