Jonathan Kreutner

Ein Appell an die schweigende Mehrheit in Davos

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes Foto: © Gregor Zielke

Jonathan Kreutner

Ein Appell an die schweigende Mehrheit in Davos

Nach der jüngsten Diskriminierung in dem Ski-Ort muss die Mehrheit der Bevölkerung laut werden

von Jonathan Kreutner  13.02.2024 10:17 Uhr

Der Schweizer Ferienort Davos kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen. Erst im Spätsommer fiel der Tourismusdirektor mit pauschalen Aussagen gegenüber Juden auf. Vor einigen Tagen kam es zur nächsten Eskalationsstufe. Der Betreiber eines Bergrestaurants verwehrte es Juden, Sportgeräte auszuleihen. Er begründete dies mit der schlechten Erfahrung, die er mit einigen jüdischen Gästen gemacht habe.

Offenbar war er sich dabei nicht der Tragweite seiner Worte bewusst, aus denen eine ungeheuerliche Diskriminierung spricht. Der Gedanke, dass mitten in Europa im 21. Jahrhundert bestimmten Menschen Dienstleistungen verwehrt werden, nur weil sie jüdisch sind, ist unerträglich.

Viele fragen sich, ob Davos ein Antisemitismus-Problem hat. Eine pauschale Antwort wäre genauso falsch. Denn auch wir dürfen nicht vom diskriminierenden Verhalten Einzelner auf die ganze Bevölkerung schließen. In Davos gibt es Menschen, die jüdische Touristen willkommen heißen, ihnen freundlich begegnen, Menschen, die nicht diskriminieren und keine Vorurteile gegenüber Juden hegen. Ohne es genau zu wissen: Diese Leute sind sicher in der Mehrheit.

Aber die Mehrheit ist noch leise, zu leise. Es ist an der Zeit, dass diese Menschen ihr Schweigen brechen und den Ruf ihrer Stadt verteidigen. Eine laute Minderheit bringt ihre Stadt in Verruf. Diese Minderheit meint vermutlich, sie könne ganze Bevölkerungsgruppen vertreiben. Mit dieser Ansicht schadet sie allen anderen. Sie schadet vor allem aber sich selbst.

Nach der jüngsten Eskalationsstufe ist es an der Zeit für ein klares Bekenntnis für ein weltoffenes Davos. Es braucht einen anderen, unverkrampften Umgang mit jüdischen Gästen, vor allem aber braucht es den Willen für konstruktive Lösungen, bei Offiziellen und der Bevölkerung. Denn: Die jüdischen Gäste werden nicht einfach verschwinden. Besser, die Ewiggestrigen akzeptieren das, bevor die schweigende Mehrheit ihre Stimme wiederfinden muss.

Jonathan Kreutner ist Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG mit Sitz in Zürich.

Meinung

»Ha’aretz«: Stimmungsmache gegen Israel

In den vergangenen Jahren hat die israelische Zeitung mehrfach Falschbehauptungen oder verzerrte Darstellungen in Umlauf gebracht hat - mit weitreichenden Folgen

von Jacques Abramowicz  30.06.2025

Meinung

Wir müssen auch im Krieg Widersprüche aushalten

Man kann die Angriffe auf Irans Atomprogramm richtig finden, ohne Israels Premier Netanjahu als Helden zu feiern oder das Leid der iranischen und palästinensischen Zivilbevölkerung zu übersehen

 27.06.2025

Meinung

Wenn Nächstenliebe zynisch wird

In einer Erklärung überzieht der Weltkirchenrat Israel mit Vorwürfen, erwähnt die Hamas aber mit keinem Wort. Eine Einseitigkeit, die zum Himmel schreit

von Tobias Kühn  26.06.2025

Meinung

Der Richtige zur richtigen Zeit

Die Geschichtsschreibung wird in 20 Jahren womöglich feststellen, dass Israels Premier Netanjahu das jüdische Volk vor einer erneuten Vernichtung gerade noch rechtzeitig bewahrt hat

von Helmut Kuhn  25.06.2025

Meinung

Mannheim: Es werden bessere Tage kommen

Wegen Sicherheitsbedenken musste die jüdische Gemeinde ihre Teilnahme an der »Meile der Religionen« absagen. Die Juden der Stadt müssen die Hoffnung aber nicht aufgeben

von Amnon Seelig  25.06.2025

Offener Brief

Sie stehen auf der falschen Seite, Herr Wermuth

Rabbiner Jehoschua Ahrens kritisiert Cédric Wermuth, Co-Präsident der Schweizer Sozialdemokraten, für seine Haltung zur Gaza-Demonstration am vergangenen Samstag in Bern

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  25.06.2025

Meinung

Iran: Was Deutschland jetzt tun muss

Nach den Luftschlägen gegen iranische Atomanlagen kann die Bundesrepublik nicht zu ihrer alten Iranpolitik zurückkehren. Sie muss Druck auf das Regime in Teheran ausüben

von Michael Spaney  25.06.2025

Meinung

Nichts als Fußball spielen!

Wie das Grümpelturnier von Maccabi Schweiz in Zürich für Ablenkung sorgt: Betrachtungen einer jüdischen Amateur-Fußballerin

von Nicole Dreyfus  24.06.2025

Meinung

Europa fehlt bei seiner Iran-Politik der Kompass

Wenn wir Israel jetzt allein lassen, riskieren wir nicht nur dessen Zukunft, sondern auch unsere eigene, meint Oliver Rolofs

von Oliver Rolofs  24.06.2025