Marina Chernivsky

Die Übergriffe häufen sich

Marina Chernivsky Foto: Rolf Walter

Antisemitismus ist eine Gewaltordnung und Teil unseres Gesellschaftssystems. Dies zeigt sich nicht nur in aktuellen Studien, sondern auch im Zuge der sogenannten Corona-Proteste. Die Übergriffe auf Synagogen – wie zuletzt in Essen – und Einzelpersonen, besonders wenn diese im öffentlichen Raum als Juden sichtbar sind, häufen sich.

Antisemitismus als Ideologie vermittelt den fruchtbaren Boden für gesellschaftliche Radikalisierungsprozesse.

Es ist daher dahingestellt, was davor da war: die Affekte, die Gedanken oder das Verhalten. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, dass es diese diffusen antisemitischen Gedanken gibt, und dass diese sich in fast schon obsessiven Handlungen und gewaltförmigen Ideologien zunehmend verdichten und strukturell aufrechterhalten werden – zum Teil dadurch, dass sie seit Jahrzehnten nicht erkannt oder fehlgedeutet und auch stets (weiter)reproduziert werden.

TÄTER-OPFER-UMKEHR Inzwischen füllt sich die Liste der manifesten antisemitischen Exzesse. Die endlose Schleife relativierender Vergleiche der Pandemie mit der Verfolgungspolitik im Nationalsozialismus und die sich radikalisierende Verschwörungsmentalität der Corona-Leugner sagt viel über die Rezeption der NS-Vergangenheit und den Zustand unserer Gesellschaft heute. Alles, selbst das, was als die Reaktion auf den Nahostkonflikt eingeordnet wird, hat hier in diesem Land mit dem Erbe des Nationalsozialismus und der Schoa zu tun.

Im Kern der verharmlosenden Vergleiche und der Übergriffe stehen die altbekannte Täter-Opfer-Umkehr und Entlastungsfantasien. Antisemitismus als Ideologie vermittelt den fruchtbaren Boden für gesellschaftliche Radikalisierungsprozesse.

Die wöchentlichen Entgleisungen werden dennoch viel zu häufig als bedauerliche Einzelfälle diskutiert. Dagegen können wir vorgehen, indem wir die politische Dimension und die tiefe historische Verwurzelung dieser Exzesse immer weiter deutlich machen und unsere Rechte aktiv einfordern.

Die Autorin ist Leiterin des ZWST-Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment in Berlin und und Geschäftsführein von OFEK e.V. .

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Meinung

Jason Stanley und der eigentliche Skandal

Ohne mit allen Beteiligten gesprochen zu haben und ohne zu wissen, was wirklich passiert ist, schrieb die deutsche Presse das Ende des jüdisch-liberalen Diskurses herbei. Dabei offenbart sich, wie leichtfüßig Stereotype gefüttert werden

von Daniel Neumann  14.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Sabine Brandes

Wie Donald Trump Israels Demokratie angreift

Der US-Präsident hat angekündigt, in den Korruptionsprozess gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eingreifen zu wollen. Damit geht der Amerikaner eindeutig zu weit

von Sabine Brandes  12.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Meinung

Wieder ein Blankoscheck für Palästina?

Europa will Gazas Wiederaufbau finanziell fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, Millionen an Hilfsgeldern würden etwas zum Besseren verändern, fragt unser Autor

von Jacques Abramowicz  10.11.2025 Aktualisiert