Chajm Guski

Die Kirche hat ein Kardinalproblem

Jemand mit derartigen Haltungen wie Kardinal Müller müsste eigentlich vor einer Mauer des Unverständnisses stehen

von Chajm Guski  21.12.2021 14:11 Uhr

Chajm Guski Foto: Chajm Guski

Jemand mit derartigen Haltungen wie Kardinal Müller müsste eigentlich vor einer Mauer des Unverständnisses stehen

von Chajm Guski  21.12.2021 14:11 Uhr

Der moderne Antisemitismus schreit nicht »Finanzjudentum!«. Der moderne Antisemitismus spricht mit vertraulicher Stimme von »finanzkräftigen Eliten« und gibt sich aufklärerisch. Dennoch wissen wir alle, wer da gemeint sein könnte – siehe »Finanzjudentum«. Die Propaganda dazu hat einfach zu tiefe Wurzeln geschlagen. Aber bei einer solchen Formulierung ließ es Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Richter am höchsten Gericht des Vatikans, nicht bewenden.

Manifest In einem Manifest, das er 2020 unterschrieb, wurde, in Bezug auf Corona-Maßnahmen, vom »Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht«, gesprochen. Auch dieses Thema kennt man noch als »Weltverschwörung«.

Was zeigt uns das? Zum einen, dass die Anfälligkeit für Verschwörungsmythen und die Fähigkeit, antisemitische Zuschreibungen als solche zu erkennen, nichts mit Bildungsstand oder sozialem Status zu tun haben. Zum anderen deckt es auf, wie immun, oder auch nicht, die Gesellschaft und die Kirche sind.

Wie wenig innere Haltung und Überzeugung kann man dann von einem »einfachen« Gemeindemitglied erwarten?

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) ließ zunächst nur über ihren Sprecher Matthias Kopp twittern: »Man wundert sich sehr über diese Theorien! Kardinal Müller spricht hier – davon gehe ich aus – als Privatperson.« Im Klartext: Die »offizielle« Haltung der Kirche ist auch bei einem Mann der Kirche nicht die innere Haltung. Wie wenig innere Haltung und Überzeugung kann man dann von einem »einfachen« Gemeindemitglied erwarten?

ENTGLEISUNGEN Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing sagte: »Ich teile seine Auffassung nicht und finde seine Wortwahl absolut unpassend. Das geht gar nicht.«

Warum bedarf es der Medien, dass solche Entgleisungen im Kleinen und im Großen verurteilt werden? In einer Gesellschaft, deren tiefste Überzeugung es ist, dem Menschen zugewandt zu sein und Antisemitismus klar abzulehnen, müsste jemand mit derartigen Haltungen vor einer Mauer des Unverständnisses stehen und letztlich auch vom direkten Umfeld lernen, auf dem falschen Weg zu sein. Das Immunsystem der Kirche funktioniert hier nicht.

Der Autor ist Publizist und Mitglied der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen.

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