Zum zweiten Mal jährt sich das Massaker des 7. Oktober. Seit 730 Tagen ist nichts mehr so, wie es vorher war. Vor allem für die unmittelbar Betroffenen – die Überlebenden, die Angehörigen von Opfern und die Geiseln, die noch immer in der Gewalt der Hamas sind. Aber auch für die deutschen Jüdinnen und Juden. Es war der größte und brutalste Anschlag auf jüdische Menschen seit der Schoa, und er hat auch in Deutschland alles verändert. Auch bei uns sind die Folgen verheerend. Denn wo Empathie und Solidarität angezeigt wären, herrschen viel zu oft und viel zu laut Hass und Hetze.
Nichts rechtfertigt Judenhass, nicht woanders und erst recht nicht hierzulande. Doch auch im zweiten und bald dritten Jahr nach dem brutalen Terrorakt der Hamas reiht sich bei uns eine antisemitische Abscheulichkeit an die nächste. Dass jüdische Studenten sich nicht mehr auf ihren Campus trauen oder krankenhausreif geprügelt werden, jüdische Gäste Restaurantverbot bekommen oder ein israelisches Orchester ohne öffentliche Gesinnungsprüfung kein Equipment mieten kann: Jeder dieser Vorfälle ist für sich genommen schon ein Skandal.
Die massive Meinungsmache gegen Israel macht mir große Sorge
Die massive Meinungsmache gegen Israel, und mittlerweile auch ganz offen gegen Juden, macht mir große Sorge. Ob Schule, Studium oder Sportplatz: Viele fühlen sich nicht mehr sicher damit, sich in der Öffentlichkeit als jüdisch oder als israelisch zu erkennen zu geben. Und sie blicken zu Recht fassungslos darauf, wenn nicht verstanden wird, weshalb Juden sich von den Demonstrationen, Aufrufen und offenen Briefen mit empathielosen und sogar antisemitischen Inhalten in ihrem Selbstverständnis und ihrer Existenz bedroht fühlen. Einige sehen das nächste 1933 aufziehen. Manche sehen die Zugehörigkeit zu ihrer deutschen Heimat infrage gestellt und holen die längst weggepackten Koffer vom Dachboden herunter.
An all jene, die sich unsicher und bedroht fühlen, möchte ich meine Botschaft richten: Deutschland steht fest an Ihrer Seite. Jeder einzelne antisemitische Angriff bestärkt mich darin, noch offensiver Partei zu ergreifen für Jüdinnen und Juden in Deutschland und in Israel. Die »Freundschaft der mutigen Tat« ist mein Credo und mein Leitmotiv!
David Ben Gurion und Franz-Josef Strauß haben ihre Freundschaft eine »Freundschaft der mutigen Tat« genannt. Das muss auch für unsere Gegenwart gelten: Taten statt Worte, darauf kommt es an, damals wie heute. Dafür steht unsere Bundesregierung, unbeugsam und unwiderruflich.
Diese Freundschaft ist nach dem 7. Oktober noch gestärkter. Das bestialische Pogrom der Hamas hat uns nicht nur tief erschüttert. Es hat viele Deutsche und Israelis auch noch enger zusammengebracht. Denn jüdische Menschen können sich darauf verlassen, dass wir Demokraten gegen jeden Judenhass kämpfen. Nur da, wo jüdisches Leben ohne Angst stattfinden kann, ist ein Land wirklich sicher, kann eine Gesellschaft sich wirklich als frei und demokratisch bezeichnen.
Die doppelte Staatsräson, Israels Existenzrecht zu schützen und die Sicherheit von Jüdinnen und Juden zu garantieren: Dafür ist diese Bundesregierung angetreten. Und dafür habe ich als Bundesinnenminister eine besondere Verpflichtung.
Auch um dieser gerecht zu werden, habe ich unmittelbar mit meinem Amtsantritt die im Koalitionsvertrag vereinbarte Sicherheitsoffensive gestartet. Mehr Mittel für unsere Polizei, bessere Befugnisse für unsere Sicherheitsbehörden und vor allem: keine Toleranz für Terror-Unterstützer.
Meine Hochachtung gilt allen, die dem antisemitischen Hass die Stirn bieten
Das setzen wir mit der ganzen Härte des Rechtsstaats um. Die Sicherheitsbehörden haben relevante Akteure scharf im Visier. Das zeigt nicht zuletzt die Festnahme dreier mutmaßlicher Hamas-Terroristen in Berlin am 1. Oktober. Überhaupt gilt für Extremisten jeder Couleur: Unsere Polizeien sind bundesweit wachsam und leisten auch belastende Einsätze mit höchstem Engagement.
Meine Hochachtung gilt derweil allen, jüdisch wie nichtjüdisch, die dem antisemitischen Hass die Stirn bieten, sich die Hände reichen und unser Schutzversprechen in den Mittelpunkt stellen.
An diejenigen, die auf unseren Straßen Terror propagieren und Judenhass verbreiten, habe ich nur eine Botschaft: Jüdinnen und Juden gehören unverbrüchlich zu unserem Land – Antisemiten aber nicht! Deswegen setze ich mich auch für eine Strafverschärfung bei antisemitischer Volksverhetzung und für erleichterte Ausweisungen bei Verurteilung wegen einer antisemitischen Straftat ein.
Ich verspreche Ihnen ganz persönlich: Ich werde weiter alles tun, um Antisemitismus zu bekämpfen und jüdisches Leben in Deutschland zu schützen. Juden und Israelis sollen sich hier sicher fühlen und sicher sein.