Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

DIG-Präsident Volker Beck Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Der Kampf gegen Antisemitismus und der Kampf für die elementare Rechtsgleichheit aller Menschen gehören zusammen. Sie sind auf jeden Fall keine Gegensätze. Dazu macht es aber der Brief der Trump-Administration an die Universität Harvard.

Das Gefährliche an diesem Brief ist, dass er die Angriffe auf jüdische Studierende und Lehrende zum Anlass nimmt – ich will gar nicht von Vorwand sprechen –, um einen Generalangriff auf Wissenschaftsfreiheit und Antidiskriminierungsprogramme zu starten.

Dass Universitäten oder Kultureinrichtungen zu judenfreien Zonen oder No-Go-Areas für Juden oder israelsolidarische Menschen werden, darf ein freiheitlich-demokratischer Staat nicht hinnehmen. Die Bilder aus Universitäten beiderseits des Atlantiks, ob Harvard oder Berlin, sind unerträglich. Deshalb ist es richtig, wenn Universitäten angehalten werden, antisemitische Vorgänge zu beobachten, dagegen vorzugehen und auch disziplinarisch durchzusetzen, dass Antisemitismus auf dem Campus nicht ungezügelt Platz greift oder Belästigung, Straftaten und Gewalt geduldet werden. Hier muss man auch in Deutschland mehr Konsequenz verlangen. Wegschauen ist keine Lösung.

Gleichzeitig verlangt die Trump-Administration aber, alle Programme –unabhängig von der Ausrichtung – im Bereich Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion zu beenden. Man kann sicher über Instrumente wie Gendersprache, Quotenregelungen oder affirmative action streiten. Worüber es unter Demokraten keinen Streit geben kann, ist der verfassungsrechtliche Anspruch auf »elementare Rechtsgleichheit für alle«, wie es das Bundesverfassungsgericht schreibt. Hieran legt die Initiative aus Washington die Axt an.

Lesen Sie auch

Wir müssen auf dem Schutz der Menschenwürde, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Gedanken der Völkerverständigung bestehen. Antisemitismus verstößt gegen diese zentralen verfassungsrechtlichen Werte.

»Wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.«, schrieb Popper in seinem Buch »Die offene Gesellschaft und ihre Feinde«. »Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden.«

Dieser Appell richtet sich an uns: der Gewalt antiisraelischer Universitätsbesetzer, falscher Toleranz von Universitätsleitungen wie der Illiberalität der Schreiber des Briefes der Trump-Administration an die Universität Harvard gleichermaßen zu widersprechen. Das ist in dieser polarisierten Gesellschaft gar nicht so einfach, aber nötig.

Der Autor ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Kommentar

Nächstes Jahr bitte ohne Doppelmoral!

Der Musik-Wettbewerb sollte nicht mit einseitiger Solidarität zur inhaltlosen Bühne verkommen

von Nicole Dreyfus  18.05.2025

Meinung

Ohne Wissen und Gewissen 

Der taz-Redakteur Daniel Bax, studierter Islamwissenschaftler, sollte seinen Beruf wechseln. Die taz sollte ihm dabei helfen

von Maria Ossowski  18.05.2025

Kommentar

Den Nachkommen der Schoa-Opfer kaltschnäuzig und nassforsch die Leviten gelesen

Ausgerechnet zum 60. Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen kritisiert die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann die Kriegsführung in Gaza, und das auch noch, ohne die Hamas zu erwähnen

von Esther Schapira  18.05.2025

ESC

Kraftvolle Stimme der Resilienz

Yuval Raphael qualifiziert sich am Donnerstagabend in Basel für das Finale und bietet allen Buhrufern entschlossen die Stirn. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  16.05.2025

Meinung

Neukölln stigmatisiert sich selbst

Heleen Gerritsen, künftige Leiterin der Deutschen Kinemathek, unterschrieb 2023 einen Boykottaufruf gegen Lars Henrik Gass. Jetzt liefert sie eine schräge Begründung nach

von Stefan Laurin  16.05.2025

Johannes Boie

Journalistisch falsch, menschlich widerlich

»News WG«, ein Format des Bayerischen Rundfunks, hat eine Umfrage darüber gestartet, ob man Yuval Raphael, eine Überlebende der Massaker des 7. Oktober, vom ESC ausschließen soll

von Johannes Boie  15.05.2025

Meinung

Jude gesucht für Strafantrag

Dass Staatsanwaltschaften selbst bei judenfeindlichen Hasskommentaren untätig bleiben, ist symptomatisch für den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland

von Alon David  14.05.2025

Meinung

Bruch von Weimer mit Roths Politik: Ein notwendiger Neuanfang

Selten haben so viele kultivierte Menschen einen Kulturstaatsminister so heftig kritisiert wie Wolfram Weimer. Dabei hat er innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei wichtige Zeichen gesetzt

von Maria Ossowski  13.05.2025

Meinung

Die Linkspartei, ihr Bundesparteitag und der Abschied vom Eintreten gegen Judenhass

Wer sich als vorgeblich sozialistische Partei mit einer Bewegung solidarisiert, die Frauen steinigt, Homosexuelle verbrennt und den Judenmord als oberstes Ziel ihrer Bemühungen proklamiert, hat keine Ehre. Ein Kommentar von Andrej Hermlin

von Andrej Hermlin  13.05.2025 Aktualisiert