Meinung

Den Ball flach halten

Ralf Balke Foto: Marco Limberg

Das Datum war gewiss kein zufälliges. Denn heute feiert Ayatollah Khamenei, politisches und religiöses Oberhaupt des Iran, seinen 85. Geburtstag. Und das dürfte mit ein Grund sein, warum die israelische Antwort auf die groß angelegte Drohnen- und Raketenattacke vom vergangenen Wochenende ausgerechnet an diesem Freitagmorgen erfolgen sollte. Details über ihr Ausmaß und die verursachten Schäden sind noch nicht bekannt.

So berichteten US-Sender wie »ABC News« sowie die »New York Times« unter Berufung auf amerikanische und iranische Quellen von einem Angriff auf eine Luftwaffenbasis nahe der Stadt Isfahan. Dort befindet sich eine Staffel von F-14 Tomcats, also Kampfjets, die noch aus der Zeit des Schahs stammen und demnach älter als 45 Jahre sind.

Sehr wahrscheinlich waren bei dem israelischen Vergeltungsschlag Drohnen zum Einsatz gekommen. Im iranischen Fernsehen war zu hören, dass man drei davon abgeschossen habe. Auch aus Syrien und dem Irak wurden Explosionen gemeldet.

Von israelischer Seite gibt es bis dato keinen Kommentar oder eine Erklärung zu den Explosionen nahe Isfahan. Offensichtlich sieht man das alles recht gelassen. Denn auch vom Home Front Command war – anders als am vergangenen Wochenende – nichts zu hören. Weder wurden besondere Warnungen ausgegeben noch die Empfehlung, sich nahe eines Schutzraums aufzuhalten.

Und so sieht das Leben in Tel Aviv und anderswo wie an einem ganz normalen Freitagmorgen aus. Allenfalls die US-Botschaft in Israel riet ihren Mitarbeitern, sich nicht außerhalb der großen Städte aufzuhalten, und Australien warnte seine Staatsbürger vor Reisen nach Israel und in die Region.

Auch aus dem Iran wurden keine Ankündigungen laut, dass man den israelischen Angriff nun mit gleicher Münze heimzahlen werde. Es scheint, alle Beteiligten bemühen sich gerade, im wahrsten Sinne des Wortes den Ball flach zu halten und die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen –  zumindest für den Moment.

Dafür gibt es gute Gründe. Zum einen hat US-Präsident Joe Biden vor Tagen erklärt, Israel jederzeit bei einem Angriff auf sein Territorium zu unterstützen, aber keinesfalls bei einem groß angelegten Vergeltungsschlag auf den Iran. Da das Verhältnis mit seinem wichtigsten Verbündeten aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über das weitere Vorgehen im Gazastreifen ohnehin schwer belastet ist, man aber gleichzeitig signalisieren wollte, dass der iranische Angriff keinesfalls unbeantwortet bleibt und wozu das israelische Militär in der Lage ist, entschied man sich in Jerusalem wohl für diese eher »softe« Variante.

Andererseits hat die Nacht vom 13. auf den 14. April gezeigt, dass sich Israel bei einer iranischen Aggression nicht nur auf seine westlichen Verbündeten verlassen kann, sondern ebenfalls auf die sunnitischen Staaten, selbst wenn man im Fall von Saudi-Arabien nicht einmal diplomatische Beziehungen mit ihnen pflegt. Genau diese informelle Allianz wollte Israel wohl nicht wieder aufs Spiel setzen.

In diesem Fall weiß die Regierung die absolute Mehrheit auf ihrer Seite, wie eine brandneue Umfrage der Hebräischen Universität Jerusalem belegt. Demnach wären 74 Prozent aller Israelis gegen einen Vergeltungsschlag, der die Allianz mit den westlichen und arabischen Partnern irgendwie gefährden könnte. 52 Prozent hatten sich sogar gegen einen militärische Antwort in diesem aktuellen Schlagaustausch zwischen Israel und den Iran ausgesprochen. 25 Prozent befürworteten dagegen eine Operation auf iranischem Territorium, und rund ein Drittel unterstützt weitere Schritte gegen das iranische Nuklearprogramm.

Doch die Zurückhaltung, die man am Freitagmorgen zeigte, bedeutet für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu womöglich neuen Ärger. Bereits am Sonntag hatten seine rechtsextremen Koalitionspartner eine härtere Gangart gegenüber dem Iran gefordert. Und auch am Freitagmorgen brachte Itamar Ben-Gvir, Vorsitzender von Otzma Yehudit, sofort seine Enttäuschung über die israelische Antwort auf der Plattform X, vormals Twitter, mit einem einzigen Wort auf den Punkt, und zwar »Dardaleh«, das hebräische Slangwort für »armselig« oder »enttäuschend«. Die Stimmen in seiner Koalition, die einen groß angelegten Militärschlag gegen den Iran fordern, dürften in den kommenden Tagen eher lauter als leiser werden.

Meinung

Steinmeier auf Kuschelkurs mit einem Terrorfreund

Der Bundespräsident untergräbt mit seiner Schmeichelei gegenüber Recep Tayyip Erdogan einmal mehr Deutschlands Staatsräson

von Nils Kottmann  26.04.2024

Nils Kottmann

Israels Existenzrecht ist keine Provokation, sondern Staatsräson, Frau Özoğuz

Eine Klarstellung

von Nils Kottmann  25.04.2024

Michael Thaidigsmann

Die UNRWA-Prüfung hat keine Konsequenzen

Der Prüfbericht liegt vor, Berlin nimmt seine Förderung des Palästinenserhilfswerks wieder auf. Das könnte sich noch rächen

von Michael Thaidigsmann  25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Die wenigsten ägyptischen Juden haben ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024

Meinung

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Thüringen

Die Betroffenen nicht im Stich lassen

Es braucht den langfristigen Ausbau der fachspezifischen Gewaltopferberatungsstellen

von Franz Zobel  17.04.2024

Frederik Schindler

Zeit für eine neue deutsche Iran-Politik

Deutschland sollte das Mullah-Regime nicht länger hofieren, sondern unter Druck setzen

von Frederik Schindler  17.04.2024

Sigmount A. Königsberg

Ein Dankeschön an die Polizei

Die Verantwortlichen bei der Berliner Polizei und der Senatsverwaltung für Inneres haben im Kampf gegen Antisemitismus viel dazugelernt

von Sigmount A. Königsberg  16.04.2024