Meinung

Das Leid der anderen anerkennen

Foto: imago/Horst Galuschka

Seit dem 7. Oktober steht das jüdisch-muslimische Verhältnis vor einem Scherbenhaufen. Der »Elephant in the room« wurde jahrelang ausgeklammert, weil man schon ahnte, welches Spaltungspotenzial der Nahostkonflikt mit sich bringt. Nun sind wir mit einer so gewaltvollen Stimmung in Deutschland konfrontiert, dass ich bei Minderheiten einen Rückzug in die eigene Community beobachte. Dort findet man Schutz und Zusammenhalt. Doch das kann keine langfristige Lösung sein für eine Gesellschaft, die es immer noch nicht schafft, ihre Minderheiten zu schützen. 

Auch beim jüdisch-muslimischen Verhältnis gerade so vieles kaputt, dass ich schlichtweg keine Ahnung habe, wie oder gar ob es weitergehen kann. Ich stelle mir eher Fragen, die mich seit Wochen beschäftigen. Können wir über unseren eigenen Schmerz und unser eigenes Leid hinaus den Schmerz und das Leid der anderen anerkennen? Kann es eine Basis geben, auf der wir die Identität und Erfahrungen des anderen nicht absprechen? Auf der das Existenzrecht Israels und Palästinas nicht verhandelbar ist? Kriegen wir Multiperspektivität hin oder bin ich einfach nur völlig naiv? Ist das alles vielleicht doch unvereinbar? Wie ehrlich sind unsere Bemühungen und wofür tun wir das alles? Wie sollen wir über diese Fragen miteinander diskutieren und streiten, wenn wir uns nicht mal regelmäßig begegnen?

Die antisemitische und rassistische Stimmung in Deutschland macht mir große Angst. Ich kann diese gefährliche gesellschaftliche Entwicklung nicht getrennt voneinander betrachten. Wir erleben gerade eine Zäsur. Wenn demokratische Parteien dieser Stimmung nichts entgegensetzen oder sie durch rechtspopulistische Sprüche sogar befeuern, dann befürchte ich, dass die AfD als langfristiger Gewinner dieser Zäsur bei der nächsten Bundestagswahl sogar die stärkste Partei werden könnte. Spätestens dann müssen wir füreinander einstehen und gemeinsam kämpfen.

Der Autor ist Schriftsteller und selbstständiger Pädagoge in Duisburg. Sein Buch »Ehrensache - Kämpfen gegen Judenhass« erschien im Suhrkamp Verlag.

Meinung

Die Namen in die Welt schreien

24 junge Männer in der Gewalt der Hamas sind wahrscheinlich noch am Leben - sie können und müssen durch ein Abkommen gerettet werden

von Sabine Brandes  28.04.2025

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  24.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Jom Haschoa

Zwei Minuten Stillstand?

Sollte in Deutschland in derselben Art und Weise wie in Israel an die Opfer der Schoa erinnert werden? Ein Gastbeitrag von Felix Klein

von Felix Klein  22.04.2025

Kommentar

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025