Ralf Balke

Corona-Proteste: Ein deutscher Sonderfall?

Ralf Balke Foto: Marco Limberg

Mittlerweile marschieren sie auch in Buenos Aires, Madrid, Paris oder Zürich. Überall sind in den vergangenen Wochen Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Maßnahmen zu protestieren, die man dort zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängt hat. Doch nirgends waren die Zahlen der Demonstranten annähernd so hoch wie hierzulande.

Auch gab es keine vergleichbaren Querfronten von Impfgegnern, Wutbürgern sowie Hippies und Neonazis, wie sie dieser Tage in Berlin zu beobachten waren – allenfalls in London schaffte es der antisemitische Verschwörungsideologe David Icke, gemeinsam mit Piers Corbyn, Bruder des ehemaligen Labour-Chefs Jeremy Corbyn, 10.000 Leute zusammenzutrommeln, die aber fast ausschließlich den rechtsextremen Milieus zuzuordnen waren.

REFLEXE Vielleicht liegt es daran, dass Corona in Spanien oder Italien viel verheerender und damit sichtbarer wüten konnte als in Deutschland, sodass Parolen von der Nichtexistenz des Virus oder seiner Harmlosigkeit schwerer greifen konnten.

Die esoterisch veranlagte und die Grünen wählende schwäbische Hausfrau hat kein Problem damit, neben einem die Kaiserreichsflagge schwenkenden Rechtsextremen aus Brandenburg zu marschieren.

Vielleicht aber existieren hierzulande einfach stärkere antizivilisatorische und technikfeindliche Reflexe. Wie im Fall der Coronavirus-Krise geht man Missständen ungern rational und analytisch auf den Grund, sondern personalisiert sie lieber. Dann ist schnell von Bill Gates, George Soros oder den Rothschilds die Rede.

Das Ganze geht dann oft einher mit einer Selbstviktimisierung – und was eignet sich in Deutschland dabei besser als eine Bezugnahme auf jüdische Symbolik?

MECHANISMEN All diese Mechanismen finden sich bei Kapitalismuskritikern, Antiimperialisten sowie Reichsbürgern gleichermaßen, weshalb die esoterisch veranlagte und die Grünen wählende schwäbische Hausfrau auch kein Problem damit hat, neben einem die Kaiserreichsflagge schwenkenden Rechtsextremen aus Brandenburg zu marschieren.

Es gibt halt mehr Verbindendes als Trennendes. Und daraus wird letztendlich eine gefährliche Masse.

Der Autor ist freier Journalist in Berlin und Tel Aviv.

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Meinung

Die Schönwetterfreunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025