Stephan Probst

Bluttests und das lebenswerte Leben

Stephan Probst Foto: Veit Mette

Vieles, das technisch machbar ist, begeistert uns. Doch oft erkennen wir zu spät die Tragweite mancher »Errungenschaft«. Das ist auch in der Debatte, ob Krankenkassen Schwangeren den Bluttest auf Down-Syndrom als Regelleistung zahlen sollen, so.

Neue Testverfahren der Pränataldiagnostik erlauben es, allein durch die Blutentnahme bei der Schwangeren das Erbgut des ungeborenen Kindes zu untersuchen. Ohne Risiko kann man jetzt genetische Abweichungen des ungeborenen Kindes erkennen.
Früherkennung ist sinnvoll, wenn sie hilft, sich früh auf indizierte Behandlungen vorzubereiten.

norm Das Down-Syndrom ist aber keine Krankheit, sondern eine genetische Normabweichung. Der Pränataltest bereitet keine Therapie vor. Für Kritiker dient er bloß dem Optimierungszwang und der Fahndung nach normabweichendem Leben. Eltern von Kindern mit Down-Syndrom müssen nicht selten hören: »So etwas müsste es heute nicht mehr geben.« Ist der Test also Teil der subtilen Eugenik einer Gesellschaft, die makellose Kinder wünscht und Menschen mit Down-Syndrom »lebensunwert« nennt?

Obwohl das Judentum auch ein Leben mit Einschränkungen als Leihgabe des Schöpfers versteht, schließt die gängige Auslegung der Halacha den Schwangerschaftsabbruch wegen der Diagnose eines Down-Syndroms im Einzelfall nicht aus. Auch ohne dass das Leben der Mutter in Gefahr ist, kommen die halachischen Autoritäten recht großzügig zu Entscheidungen für einen Schwangerschaftsabbruch.

tötung Rabbiner Eliezer Waldenberg beschrieb schon in den 70er-Jahren das Dilemma, in das die Pränataldiagnostik werdende Eltern stürzt. Sie werden mit der Entscheidung über Leben oder Tod meist alleingelassen. Auch wenn das ungeborene Kind in der frühen Schwangerschaft halachisch noch nicht als beseelt gilt, bauen Paare doch eine Beziehung zu ihm auf, sie erleben es als eine individuelle Person – und den Abbruch als Tötung.

Wer hilft ihnen bei der Entscheidung, ob sie ihr Kind bekommen wollen? Und wer hilft ihnen, wenn sie sich vor einer behindertenfeindlichen Gesellschaft dafür rechtfertigen müssen, dass sie sich für das Leben entschieden haben?

Der Autor ist Vorsitzender des klinischen Ethikkomitees am Klinikum Bielefeld.

Meinung

Zurück ins Mittelalter?

Die israelische Regierung will die Todesstrafe wieder einführen. Das ist geschichtsvergessen und verblendet

von Sophie Albers Ben Chamo  04.12.2025

Meinung

Wagenknechts Schiffbruch

Nur etwa zwei Jahre nach seiner Gründung steht das BSW vorm endgültigen Scheitern – eine gute Nachricht! Dennoch bleibt ein übler Nachgeschmack

von Ralf Balke  04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  01.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Wenn ein Botschafter Schoa-Überlebende zu Lügnern erklärt

Tom Rose, neuer US-Botschafter in Warschau, hat in einer Rede die Komplizenschaft Tausender Polen während des Holocaust bestritten. Das ist fatal für das Ansehen der USA

von Menachem Z. Rosensaft  29.11.2025

Meinung

Die Flucht der arabischen Juden

Einst lebten viele Juden in der muslimischen Welt. Es ist wichtig, an ihre persönlichen Geschichten von Exil und Mut zu erinnern

von Tair Haim  27.11.2025