Architektur

Zickzack und Sichtbeton

Funktionsloser Manierismus: Architekt Libeskind vor der Einga gstür zum neuen Osnabrücker Museum Foto: dpa

Wer das Jüdische Museum in Berlin kennt, erlebt ein Dejà-vu, wenn er in Osnabrück den neuen Anbau für das Felix-Nussbaum-Haus besichtigt. Derselbe Architekt, Daniel Libeskind, die gleichen abweisenden Stahlplatten-Fassaden, gezackten Fenster und verschachtelten Raumfolgen. Der 1946 in Lodz geborene Libeskind hat es verstanden, den Löwenanteil von Neubauten jüdischer Museen weltweit an sich zu ziehen. Dabei überträgt er Elemente von Religion und Geschichte des Judentums symbolisch und recht willkürlich in seine Formensprache: Asymmetrie, spitze Winkel und roh wirkende Materialien.

irrgarten Der neue Anbau verbindet das alte Felix-Nussbaum-Haus – von Libeskind 1998 errichtet – mit dem Kunstgeschichtlichen Museum, einem Sandstein-Kasten aus dem 19. Jahrhundert. Das Konglomerat aus nunmehr drei Hauptgebäuden mit verschiedenen Grundrissen vervielfacht die Möglichkeiten, sich zu verlaufen. Der verwinkelte Aufbau ist nur mit Lageplan in der Hand zu verstehen.Viele Wege führen in die Irre oder tote Winkel. Die weiträumig auf dem Gelände ausgebreiteten Gebäudeteile bieten wenig Nutzraum. Und die aufdringliche Bausymbolik lenkt den Betrachter von den Exponaten ab: Der Architekt degradiert sie zum beiläufigen Anlass für seine Museums-Metaphysik. So hat es Libeskind auch bei den jüdischen Museen in Berlin, Kopenhagen und San Francisco gemacht. Nur sind die groß genug, um ihre Sammlungen auch auf reduzierten Ausstellungsflächen präsentieren zu können. Im kleinen Osnabrück aber macht sich der verschwenderische Umgang mit dem vorhandenen Platz besonders nachteilig bemerkbar. Etwa beim »Vertikalen Museum«. Die haushohe Betonstele ist hohl wie die »Voids« in Berlin. Was dort aber noch als Mahn- und Andachtsraum für die Opfer der Schoa überzeugt, wird hier zum funktionslosen Ma- nierismus: In der Stele findet nur eine Videoprojektion Platz; ansonsten steht sie leer in der Gegend herum.

Der Sinn solcher Konstruktionen bleibt ebenso dunkel wie Libeskinds eigenwillige Fenstergestaltung. In Berlin hatte er die früheren Wohnsitze berühmter Juden auf einem Stadtplan mit Linien verbunden und so begründet, warum er schräge Lichtschlitze in die Museumsfassade einließ. In Osnabrück setzt er nun spitze Vielecke als Fenster ein; zum Lüften lassen sie sich nur einen Spalt breit öffnen.

bunker-ästhetik Belüftung ist ohnehin ein heikler Punkt. Die Fertigstellung des Jüdischen Museums Berlin verzögerte und verteuerte sich bekanntlich, weil die Abluft-Anlagen unzureichend geplant worden waren. In Osnabrück erklärt Museumsdirektorin Eva Berger ungefragt, ihr technischer Leiter sei mit den Lüftungsschächten sehr zufrieden. Wenigstens in diesem Punkt ein Fortschritt.

Fragwürdig an Libeskind ist nicht, dass er seine Markenzeichen unablässig variiert – das tun andere Star-Architekten des Dekonstruktivismus wie Frank O. Gehry und Zahah Hadid auch. Problematisch ist, wie wenig ihn seine Bauaufgabe schert, nämlich Aufbewahrungs- und Präsentationsorte zu schaffen, deren Besucher sich dort rasch zurechtfinden können.

Dabei kann Libeskind auch anders. Beispielsweise am »Kö-Bogen«, einem Büro- und Geschäftszentrum in der Düsseldorfer Innenstadt. Dort kombiniert er geschwungene Fassaden und schräge Fensterbänder mit Block-bebauung, um das Areal möglichst auszuschöpfen. Kein Wunder: Die privaten Investoren rechnen mit spitzem Bleistift. Aber auch im Kulturbereich vermag es Libeskind, von seiner reinen Leere abzuweichen. Das 2001 fertiggestellte Imperial War Museum in Manchester wird für seine kluge Raumaufteilung gelobt. Beim Dresdener Museum für Militärgeschichte, das Ende 2011 fertig werden soll, setzt der Architekt einen gläsernen Keil auf eine ehemalige Kaserne. Wie immer das aussehen mag: Hell genug wird es sein.

Nur wenn es jüdisch wird, kommen bei Libeskind stets die gleichen, irritierend düsteren Labyrinthe heraus – brutalistische Bunker-Ästhetik, jeder Quadratmeter ein Klagegesang über den Holocaust. Können nicht lichtvolle, luftige Gemäuer gebaute Zuversicht ausdrücken? Eine Chance dafür böte die Synagoge der liberalen jüdischen Gemeinde in München, die Libeskind derzeit plant: Vielleicht lässt er dort endlich von seiner Vergangenheitsbewältigung mit Sichtbeton ab.

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025