Redzeit

»Viele wollen nur dazugehören«

Sayed Kashua Foto: Stephan Pramme

Herr Kashua, rund 15 Prozent der Israelis sind arabische Muslime. Wie gestaltet sich das Zusammenleben von Juden und Arabern im jüdischen Staat?
Auf der persönlichen Ebene kommen die meisten gut miteinander aus. Ich beobachte sehr häufig, dass wir Araber mit unserem Habitus sowohl den Sefardim als auch den Aschkenasim viel ähnlicher sind als etwa die Europäer. Zudem sind viele israelische Araber regelrechte Assimilierungsfanatiker. Um dazuzugehören, versuchen sie, jüdischer zu sein als die Juden selbst. Auf der politischen Ebene aber sieht es schon ganz anders aus. Wir werden von der Regierung Netanjahu systematisch diskriminiert.

Inwiefern?
Wir haben nicht die gleichen Rechte wie die jüdischen Israelis. Die ethnische Diskriminierung zieht sich fast durch jeden Bereich des Lebens. Wir unterliegen anderen Bestimmungen bezüglich der Grenzkontrollen, wir können nicht wohnen, wo wir möchten, und es ist für uns trotz guter Ausbildung fast unmöglich, eine anständig bezahlte Arbeit zu bekommen.

Mit Verlaub, Sie sind der Liebling der israelischen Presse, Ihre Romane sind Bestseller und Ihre Sitcom »Arab Work« wird gleichermaßen von Juden und Muslimen geliebt.
Ja, das stimmt. Aber mein Erfolg macht die fortwährende Diskriminierung nicht ungeschehen. Ich mag als Autor in Israel willkommen sein, als palästinensische Minderheit indes bin ich der Politik ein Dorn im Auge. Ein Beispiel: Es ist immer die Rede davon, dass Israel einzig und allein eine jüdische Seele habe. Was ist denn mit den über eine Million Arabern in diesem Land? Sind die etwa nicht ein Teil Israels?

Fühlen Sie sich fremd im eigenen Land?
Absolut, und diese Situation hat sich in den vergangenen Jahren unter der neuen Regierung sogar noch verschärft. Die Diskrepanz zwischen den Regierungsparteien und den vielen tollen israelischen Juden, die ich kenne, wird immer größer. Das Tragische dabei ist, dass Hardliner wie Außenminister Avigdor Lieberman erfolgreich sind, weil Israel durch Hamas und Hisbollah existenziell gefährdet ist. Nur so kann ich mir seinen Erfolg erklären, der uns Araber schon einmal mit einem Krebsgeschwür vergleicht.

Wie gehen Sie mit solchen Äußerungen der politischen Rechten um?
Ich versuche es, mit Humor zu nehmen. Ohne Lieberman würde mir schnell der Stoff für meine Haaretz-Kolumne ausgehen. Im Ernst: Die meisten Araber haben ganz einfach resigniert und sind verbittert. Langfristig aber wäre es nur folgerichtig, wenn es zu Protesten wie in der arabischen Welt kommen würde.

Sie vergleichen die Missstände in Israel mit denen in Ägypten oder Libyen?
Keineswegs, Mubarak und Gaddafi sind Diktatoren, Netanjahu und Co. demokratisch gewählte Politiker. Aber die Regierung kann nicht eine Million seiner Bürger benachteiligen, ohne dass sich das irgendwann rächt.


Sayed Kashua wurde 1975 geboren und lebt im palästinensischen Teil des Dorfes Beit Safafa bei Jerusalem. Er ist Kolumnist der Wochenzeitung Haaretz und hat darüber hinaus die Drehbücher der erfolgreichen israelischen Sitcom »Avoda Aravit« (Arabische Arbeit) geschrieben. 2002 debütierte er als Schriftsteller, sein Buch »Tanzende Araber« wurde von der Literaturkritik begeistert aufgenommen. Am 16. Mai ist Kashua zu Gast im Jüdischen Museum Berlin und stellt dort seinen neuen Roman »Zweite Person Singular« vor, der dieser Tage im Berlin Verlag erschienen ist.

Link zu Kashuas Veranstaltung im Jüdischen Museum:
http://www.jmberlin.de/main/DE/02-Veranstaltungen/veranstaltungen-2011/2011_05_16_kashua.php?b=kal

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025