»Romantische Liebe und der Kapitalismus«: Das wäre das Vortragsthema von Eva Illouz gewesen. Am 21. November sollte die französisch-israelische Soziologin eigentlich einen Gastvortrag an der Erasmus-Universität Rotterdam (EUR) geben. Das »Erasmus Love Lab«, ein Zentrum der niederländischen Hochschule, das auf die Erforschung zwischenmenschlicher Beziehungen spezialisiert ist, wollte Illouz eigentlich einladen.
Doch daraus wird nun wohl nichts. Denn wie die niederländische Zeitung »NRC Handelsblad« am Montag vermeldete, verspüren die Organisatoren ein »Unbehagen« und »Zögern« angesichts der geplanten Teilnahme der 64-Jährigen - und luden sie wieder aus. Die 1913 gegründete Rotterdamer Universität boykottiert seit einigen Monaten israelische Universitäten – wegen des Gaza-Kriegs und des israelischen Vorgehens gegen die Hamas.
Im Juni wurde die Zusammenarbeit mit drei Universitäten in Israel mit sofortiger Wirkung eingestellt; neue Kooperationen mit diesen Hochschulen sind damit auf absehbare Zeit nicht erwünscht. Das Risiko, so die Uni-Leitung damals, dass die EUR »indirekt an Menschenrechtsverletzungen beteiligt« sein könnte, sei einfach zu hoch. Betroffen von dem Boykott war unter anderem die Hebräische Universität Jerusalem.
Illouz, die als Tochter sephardischer Juden in Marokko zur Welt kam und in Frankreich aufwuchs, ist an der Jerusalemer Uni seit 2006 ordentliche Professorin. Zudem forscht und lehrt sie an der EHESS, der Pariser Hochschule für Sozialwissenschaften. In einer E-Mail habe sie das »Love Lab Team« darauf hingewiesen, dass sie an einem europäischen Institut arbeite und Staatsbürgerin eines europäischen Landes sei, berichtet »NRC Handelsblad«.
Der Projektleiterin des Erasmus Love Lab habe aber in seiner Antwort deutlich gemacht, dass ihre Tätigkeit an der Hebräischen Universität dennoch »sehr sensibel« sei. Das »Love-Lab-Team« habe deshalb per »demokratischem« Beschluss mehrheitlich entschieden, Illouz‘ Vortrag abzusagen, teilte sie der Zeitung mit.
Illouz antwortete dem Love Lab spöttisch, es sei doch erfreulich, dass »eine echt antisemitische Entscheidung« auf demokratische Weise zustande gekommen sei. »Viele Menschen werden sich dadurch sicherlich noch viel rechtschaffener fühlen«, schrieb Illouz laut »NRC Handelsblad«. Die Erasmus-Universität wiederum teilte der Zeitung mit, dass man sich nicht zu Fragen der Kooperation zwischen Einzelpersonen äußere. Wenn kein Konsens bestehe, stehe es EUR-Teams aber grundsätzlich frei, per Mehrheitsbeschluss solche Fragen zu klären.

Eva Illouz gilt als Linke. In der Vergangenheit war sie immer wieder mit der israelischen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aneinandergeraten. 2021 unterschrieb Illouz eine Petition, die den Internationalen Strafgerichtshof aufforderte, mögliche Kriegsverbrechen Israels in den palästinensischen Gebieten zu untersuchen.
Allerdings hatte Illouz sich zuletzt kritisch mit antizionistischen Bestrebungen an westlichen Universitäten auseinandergesetzt. In ihrem Buch »Der 8. Oktober« - die deutsche Ausgabe ist im Suhrkamp-Verlag erschienen - kritisiert sie einen Mangel an Empathie unter linken Intellektuellen gegenüber den israelischen Opfern des Hamas-Terrors vom 7. Oktober 2023.