Nachruf

Schwedens jüdisches Gesicht

Seine bekannteste Rolle: Erland Josephson mit Liv Ullman in »Szenen einer Ehe« 1973 Foto: cinetext

Schweden ist ein kaltes, trübes und lutherisches Land. Das wissen Kinogänger seit Ingmar Bergman. Niemand hat die freudlose Atmosphäre des skandinavischen Königreiches so eindringlich ins Bild gesetzt wie der Pfarrerssohn aus Uppsala. Und keiner verkörperte Bergmans depressiven Mix aus protestantischen Schuldgefühlen, Ängsten und Obsessionen überzeugender als Erland Josephson, der vergangenen Samstag 89-jährig an den Folgen einer langjährigen Parkinson-Erkrankung gestorben ist.

ingmar bergman Dabei war Erland Josephson kein Protestant, sondern Jude – Spross einer Ende des 18. Jahrhunderts aus Preußen nach Schweden emigrierten Künstlerfamilie, aus der Musiker, Theaterregisseure, Maler und Schriftsteller hervorgingen.

Der junge Erland folgte dieser Tradition. Mit 16 Jahren trat er erstmals auf der Bühne auf, im Stockholmer Studententheater Norra Latin. Sein Regisseur war der 21-jährige Ingmar Bergman, das Stück, das er inszenierte, Shakespeares Kaufmann von Venedig mit dem jungen Josephson als – nein, nicht Shylock, sondern Antonio.

Es war der Beginn einer Zusammenarbeit, die über 60 Jahre währen sollte. Josephson wurde zum Gesicht von Bergman-Filmen wie Die Stunde des Wolfs, Schreie und Flüstern, Herbstsonate sowie, an der Seite von Liv Ullman, in Szenen einer Ehe. Der ursprünglich als Fernsehserie angelegte Film, dessen Titel mittlerweile zum geflügelten Wort avanciert ist, war Bergmans größter internationaler Erfolg und machte seine Hauptdarsteller weltweit bekannt und gefragt.

Erland Josephson drehte in der Folge mit internationalen Regisseuren wie Lilliana Cavani (Jenseits von Gut und Böse), Philip Kaufman (Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins), István Szábo (Hanussen) und Andrey Tarkovsky (Nostalghia). Das Angebot, 1978 in Der Weiße Hai 2 zu spielen, schlug Josephson allerdings aus. »Ich liefere mir lieber intellektuelle Auseinandersetzungen mit Liv Ullman, statt mit irgendeinem Hai zu kämpfen.«

rabbiner-rolle Erland Josephson hätte in den 70er- und 80er-Jahren Weltkarriere machen können. Doch die internationalen Auftritte waren für ihn immer nur Ausflüge, von denen er stets nach Schweden und zu Bergman zurückkehrte. Unter dessen Regie stand er weiter vor der Kamera, zuletzt 2003 in Sarabande, und auf der Bühne des Königlichen Dramatheaters von Stockholm, dessen Intendant Josephson von 1966 bis 1975 war.

Dort gab er 1993 den Goldberg in George Taboris Die Goldberg-Variationen, eine seiner raren jüdischen Rollen. Eine andere war die eines ungarischen Rabbiners in Kjell Gredes Film Guten Abend, Herr Wallenberg 1990, über den schwedischen Judenretter von Budapest.

So selten Erland Josephson Juden spielte, so wichtig war ihm sein Judentum persönlich. Er war Mitglied der Stockholmer Gemeinde, deren Vorsitzender sein Vater Gunnar einst gewesen war. In seinen Büchern – er schrieb acht Romane, zwei Gedichtbände, Dutzende Drehbücher, Schau- und Hörspiele sowie mehrere Erinnerungsbände – befasste er sich immer wieder mit jüdischen Fragestellungen. Sein Roman En Berättelse om Herr Silberstein (1957) handelte vom schwedischen Nachkriegsantisemitismus. 2001 erschien das Buch als A Story about Mr. Silverstein in den USA.

In einem Interview, das Erland Josephson 2009 dem schwedischen Gemeindemagazin Judisk Krönika gab, zitierte er als Lebensmotto aus seinem autobiografischen Buch Självporträtt (»Selbstporträt«): »Es ist anregend kompliziert, Jude zu sein.«

Sachbuch

Auf der Spur der wahren Germanen

Ein neues Buch zeigt, wie kurz der Weg vom Kult um die Germanen über das völkische Denken bis zum Antisemitismus und zum Holocaust war und ist

von Christoph Arens  02.05.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  02.05.2025

Dresden

Israel Philharmonic Orchestra an Doppelkonzert beteiligt

Der Israeli Lahav Shani dirigiert ein als »musikalisches Zeichen für Versöhnung und Frieden« angekündigtes Konzert

 02.05.2025

Donna Anna (Adela Zaharia) und Don Ottavio (Agustín Gómez) in »Don Giovanni/Requiem«

Oper

Requiem nach der Höllenfahrt

Der Exilrusse Kirill Serebrennikov erschüttert mit »Don Giovanni« in Berlin

von Maria Ossowski  02.05.2025

Fernsehen

Rache für den Holocaust? »Plan A« in der ARD

In dem Drama sinnt eine Gruppe Juden auf Rache für die deutschen Holocaust-Verbrechen

von Ute Wessels  02.05.2025 Aktualisiert

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 2. bis zum 11. Mai

 02.05.2025

Iris Berben

»Ich habe eine tiefe Liebe zu Israel«

Am 4. Mai liest die Schauspielerin beim »stARTfestival« aus dem Buch »Gleichzeit« von Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman. Ein Gespräch über die Kraft von Worten und Musik, Reisen nach Israel und die Hoffnung

von Katrin Richter  02.05.2025

Basel

ESC hat Hotline für Betroffene von Gewalt, Judenhass und Rassismus

Die Organisatoren setzen auf eine Idee aus Baden-Württemberg. Gegen den Antisemitismus, der sich bereits im Vorfeld des Wettbewerbs zeigte, hilft die Telefonnummer jedoch nicht

 02.05.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  01.05.2025