Wuligers Woche

Rat und Schläge

Eingang des Jüdischen Museums Berlin Foto: imago images / Jürgen Ritter

Wuligers Woche

Rat und Schläge

Wenn Medien nichts mehr einfällt, gibt es immer noch das Jüdische Museum Berlin

von Michael Wuliger  23.01.2020 15:39 Uhr

Es ist der Albtraum jeder frisch berufenen Führungskraft. Man hat die neue Stelle noch gar nicht angetreten, da kommen auch schon die ersten Mails aus der künftigen Wirkungsstätte, manche mit Klarnamen unterzeichnet, andere anonym: Als Erstes müsse man sich unbedingt um dies kümmern, sagt der eine; nein, wichtiger sei das, insistiert die andere. X könne man nicht über den Weg trauen, erfährt man; andere Finger zeigen auf Y. Und so geht das täglich. Das ist dann der Moment, in dem der Chef in spe beginnt zu grübeln, ob die Bewerbung auf diesen Posten wirklich eine gute Idee war.

Amsterdam So ähnlich könnte es derzeit Hetty Berg gehen, die am 1. April als Direktorin das Jüdische Museum Berlin (JMB) übernehmen wird. Falls die derzeitige Chefkuratorin des Jüdischen Kulturviertels in Amsterdam sich je darüber Illusionen gemacht haben sollte, auf was sie sich eingelassen hat, dürfte ihr die Zeitungslektüre der vergangenen Wochen das ausgetrieben haben. Als Erster meldete sich Mitte Dezember Thomas Thiel in der »FAZ« zu Wort.

Auf einer ganzen Seite beschrieb er akribisch, wie die Akademie des Museums und deren bisherige Leiterin Yasemin Shooman über Jahre systematisch ein Programm verfolgt hätten, das, vorsichtig ausgedrückt, von der islamistischen Agenda nicht immer klar zu unterscheiden war. »Hetty Berg muss das JMB erst wieder zum Jüdischen Museum machen«, so Thiels Fazit.

Inkubator »Stammtischgeraune« nannte das zehn Tage später Max Czollek im Berliner »Tagesspiegel«, sprach von »persönlicher Unterstellung mit verschwörerischen Anleihen«. Worauf pro Thomas Thiel und contra Czollek Anfang Januar Clemens Heni und Michael Kreutz reagierten und im selben Blatt dem JMB attestierten, der frühere Direktor Peter Schäfer und Yasemin Shooman hätten es zum »Inkubator für Israel-Ressentiments« gemacht.

Das wiederum rief fünf Tage später Micha Brumlik auf den Plan. Er sprach, auch im »Tagesspiegel«, von »Rufmord« und einer »Gefahr für die Meinungsfreiheit«. Inzwischen hat sich auch Yasemin Shooman mit einer eigenen Replik zu Wort gemeldet, worüber vergangenen Samstag die »taz« berichtete. Weitere Beiträge werden sicherlich folgen. In der Medienforschung nennt man so etwas Selbstreferenzialität.

Kulturzeit Und dabei haben wir erst Januar. Noch sind es zwei Monate hin, bevor Frau Berg tatsächlich ihren Job antritt. Zwei Monate, in denen weitere Medien auf den Zug aufspringen können. Die 3sat-Sendung Kulturzeit und das ARD-Kulturmagazin ttt – titel thesen temperamente haben möglicherweise Beiträge bereits in der Mache. Fernsehen braucht immer etwas länger.

Und wenn am 1. April die neue Direktorin – sofern sie bis dahin noch nicht abgeschreckt ist – tatsächlich im Libeskind-Bau Platz nimmt, geht es erst richtig los. »Neubeginn im JMB« mit und ohne Fragezeichen lautet dann die Feuilletonparole. Sämtliche Journalisten werden sich darum prügeln, wer es als Erster schafft, »Hetty Berg im Gespräch« zu präsentieren. Ich wünsche der neuen Museumschefin gute Nerven – und einen rabiaten Pressesprecher.

Österreich

Neue Direktorin für das Jüdische Museum Hohenems

Historikerin Irene Aue-Ben-David übernimmt die Leitung und bringt internationale Erfahrung aus Jerusalem mit

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Basel

Mann wollte Juden während des ESC angreifen

Kurz vor dem »Eurovision Song Contest« in der Schweiz wurde ein 25-Jähriger wegen konkreter Gewaltdrohungen festgenommen und ausgewiesen

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Berlin

Umstrittene 88: Der schwierige Umgang mit rechten Codes

Im Berliner Fußball sorgt die Debatte um die Rückennummer 88 und dem Hitler-Bezug für Kontroversen. Warum das Verbot erneut scheiterte und wie der Fußball insgesamt mit rechtsextremen Codes umgeht

von David Langenbein, Gerald Fritsche, Jana Glose  16.12.2025

Wien

ESC 2026: ORF will israelfeindliche Proteste nicht ausblenden

Die Debatte und der Boykott einzelner Länder wegen der Teilnahme Israels haben den ESC 2026 bisher überschattet. Auch beim Event im Mai selbst drohen Proteste. Wie geht der ORF damit um?

 16.12.2025

Washington D.C.

Trump sorgt mit Angriffen auf ermordeten Rob Reiner für Empörung

Der jüdische Regisseur sei an einem »Trump-Verblendungssyndrom« gestorben, schreibt der Präsident. Dafür erntet er seltene Kritik aus den eigenen Reihen

 16.12.2025

Nachruf

Filmproduzent mit Werten

Respektvoll, geduldig, präzise: eine Würdigung des sechsfachen Oscar-Preisträgers Arthur Cohn

von Pierre Rothschild  15.12.2025

Meinung

Xavier Naidoos antisemitische Aussagen? Haken dran!

Der Mannheimer Sänger füllt wieder Konzertsäle. Seine Verschwörungserzählungen über Juden und holocaustrelativierenden Thesen scheinen kaum noch jemanden zu stören

von Ralf Fischer  15.12.2025

Los Angeles

Bestürzung über Tod von Rob Reiner und Ehefrau Michele

Der jüdische Regisseur und seine Frau wurden tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei behandelt den Fall als mögliches Tötungsdelikt

 15.12.2025

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025