1700 Jahre jüdisches Leben

Neues Bibliotheksprojekt zum Festjahr

Größte Sammlung ihrer Art in Europa: Die Germania Judaica besitzt 90.000 Bände zur Geschichte des deutschsprachigen Judentums. Foto: Constantin von Hoensbroech

»Was uns verbindet, sind nicht Blutsverwandtschaften, sondern Texte« – dieses Zitat von Amos Oz und Fania Oz-Salzberger leitet einen neuen Blog zu jüdischen Bibliotheken weltweit ein. Unter dem Titel »Von Büchern und ihren Orten« sollen dort im aktuellen Festjahr zu »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« Sammlungen vorgestellt werden, wie die Stadt Köln am Donnerstag mitteilte.

»Der Bogen spannt sich dabei von öffentlichen Stadt- und jüdischen Gemeindebibliotheken über weltberühmte historische Büchersammlungen bis hin zu international renommierten akademischen Einrichtungen«, hieß es. Der zweisprachige Blog in Deutsch und Englisch richte sich an Bibliophile sowie an Menschen, die sich für jüdische Kultur interessieren oder »unbekannte Kultur-Orte« kennenlernen möchten.

In kompakten Texten stellen sich die Einrichtungen vor. Hinzu kommen Bilder, die »verborgene Schätze« zeigen. »Jüdische Bibliotheken sind als kleine, von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommene Einrichtungen häufig in ihrer Existenz bedroht. Sie brauchen gerade heute Aufmerksamkeit, Vernetzung und vor allem auch virtuelle Sichtbarkeit«, erklärte Ursula Reuter, unter deren Federführung der Blog entstanden ist.

germania judaica Reuter ist Geschäftsführerin der Germania Judaica in Köln, die sich als eine der größten Spezialbibliotheken zum deutschsprachigen Judentum weltweit versteht. Sie entstand 1959, Mitgründer war der Schriftsteller Heinrich Böll. Den Blog initiierte die Germania Judaica mit dem Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Das Projekt gehört zu »#JLID Festjahr 2021 – Jüdisches Leben in Deutschland« und wurde finanziell durch das Bundesinnenministerium ermöglicht.

»Jüdische Bibliotheken sind Wissensspeicher, Lehrhäuser, Räume der Begegnung und Gedenkorte. Als Spiegel jüdischen Lebens überliefern sie einzigartiges Wissen über jüdische Geschichte und Gegenwart«, so Reuter. In der Ankündigung hieß es weiter, dass fast überall dort, wo es jüdisches Leben gebe, auch jüdische Bibliotheken vorhanden seien. »Die Wurzeln hierfür liegen im religiösen Studium, für das Bücher, wie etwa die hebräische Bibel und rabbinische Kommentare, unverzichtbar sind.«

mittelalter Schon für das Mittelalter ließen sich bedeutende Manuskriptsammlungen jüdischer Gelehrter und Gemeinden nachweisen. Jedes jüdische Lehrhaus sei daher zugleich auch Bibliothek, hieß es. »Die Liebe zu Büchern hat sich in der jüdischen Gesellschaft auch auf die säkulare Bildung übertragen. Auch unter den bedrohlichsten Bedingungen bauten Jüdinnen und Juden Sammlungen und Bibliotheken auf, selbst in der Zeit der Schoa.«

Das Festjahr geht zurück auf ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321. Es besagte, dass Juden städtische Ämter in den Kurien, den römischen Stadträten, bekleiden durften. Das Edikt gilt als das früheste schriftliche Zeugnis über jüdisches Leben in Mittel- und Nordeuropa. Für das Festjahr hat sich der Verein »321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« gegründet.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 17. Oktober bis zum 23. Oktober

 16.10.2025

Marko Dinić

Das große Verschwinden

Der serbisch-österreichische Autor füllt eine Leerstelle in der Schoa-Literatur

von Katrin Diehl  13.10.2025

Usama Al Shahmani

Die Hälfte der Asche

Der Schweizer Autor stammt aus dem Irak. Sein Roman erzählt eine Familiengeschichte zwischen Jerusalem und Bagdad

von Frank Keil  13.10.2025

Literatur

Poetische Analyse eines Pogroms

Boris Sandler, ehemaliger Chefredakteur der jiddischen Zeitung »Forverts«, schreibt über das Blutbad von Kischinew

von Maria Ossowski  13.10.2025

Sachbuch

Zion liegt in Texas

Rachel Cockerell schreibt über russische Juden, die in die USA auswanderten – ein Teil ihrer Familiengeschichte

von Till Schmidt  13.10.2025

Romain Gary

Widerstand in den Wäldern

»Europäische Erziehung«: Der Debütroman des französisch-jüdischen Schriftstellers erscheint in neuer Übersetzung

von Marko Martin  13.10.2025

Jan Gerber

Vergangenheit als Schablone

Der Historiker skizziert die Rezeptionsgeschichte des Holocaust und stößt dabei auf Überraschendes

von Ralf Balke  13.10.2025

Literatur

Die Tochter des Rabbiners

Frank Stern erzählt eine Familiengeschichte zwischen Wien, Ostpreußen, Berlin und Haifa

von Maria Ossowski  13.10.2025

Yael Neeman

Damals im Kibbuz

Der israelische Bestseller »Wir waren die Zukunft« erscheint auf Deutsch

von Ellen Presser  12.10.2025