Fernsehen

Mit Pfau unter der Discokugel

Der Comedian Oliver Polak (M.) Foto: BR/Gerald von Foris

Oliver Polak ist nicht gerade für seine leisen Töne bekannt. Und auch bei seinen beiden neuen Fernseh-Formaten, einer Serie auf Netflix sowie einer Talkshow im Bayerischen Rundfunk (BR), lässt sich durchaus nicht von einem Stilbruch reden.

Für seine Diskussionssendung Gedankenpalast, die seit Ende Februar im BR läuft, schlüpft der jüdische Comedian und Autor in extravagante Kostüme, und seine Gäste begrüßt er nicht etwa im sterilen Studio, sondern mitten im Brandenburger Wald.

BÄUME In der ersten Folge sitzt Polak mit blondierten Haaren im vollen Mönchsornat der ZEIT-Journalistin Yasmine M’Barek und dem Schlagersänger Patrick Lindner gegenüber. Nebel umwabert die Bäume, ein Pfau läuft manchmal durchs Bild und schreit ohrenbetäubend. An einem Draht wird eine dampfende Discokugel herabgelassen, darin einige Zettel mit Diskussionsthemen. Als Erstes wird »Cancel Culture« gezogen, und schon kommen die drei ins Gespräch, zuerst über den Ursprung der aktivistischen Praxis des »Cancelns« und dann über Patrick Lindners Coming-out.

So kommt man vom Hölzchen aufs Stöckchen, bis die Eieruhr plärrt und einen Themenwechsel ansagt. Auf dem zweiten Zettel steht »Du Hund!«, und selbst dazu lässt sich offenbar unerschöpflich viel sagen. Zur Idee von Gedankenpalast sagt Oliver Polak: »Es geht um den Sinn und die Sinnlosigkeit des Lebens.« Dafür lädt der 45-Jährige unterschiedlichste Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Medien ein, um über Intimes genauso wie über Politisches zu sprechen. Sinn und Sinnlosigkeit halten sich dabei in etwa die Waage.

In der zweiten Folge, die schon jetzt online beim BR verfügbar ist, sind Trans-Aktivistin Hana Corrales und Rapperin Sabrina Setlur zu Gast bei Polak, der dieses Mal ein blaues Eulen-Kostüm trägt. Geredet wird über Männlichkeit, Zwänge und Massentierhaltung, alles in Gegenwart eines weißen Pferdes, das den Pfau ersetzt hat. Der war wohl selbst für Polaks Verhältnisse einfach zu laut.

NETFLIX Eine Art Talkshow ist auch die dreiteilige Serie Your Life Is A Joke, die seit einigen Monaten auf Netflix zu sehen ist. Oliver Polak trifft in jeder Folge eine prominente Persönlichkeit, lässt sich in einem goldenen Opel Manta an deren Lieblingsorte führen und versucht, so viele Details und Peinlichkeiten aus deren Leben in Erfahrung zu bringen wie möglich. Was er auf diese Weise über seinen Gast herausfinden kann, wird dann am Ende jeder Folge gegen diesen verwendet: In einer Stand-up-Einlage wird der Promi von Polak »geroastet«, also jede Menge Witze auf dessen Kosten gemacht.

In der ersten Folge ist das Christian Ulmen, wie Polak ein hauptberuflicher Witzemacher. Aktuell ist Ulmen vor allem mit seiner derben Comedy-Serie jerks. präsent. Kein Wunder, dass zwischen ihm und Oliver Polak die Chemie von Anfang an stimmt – die erste Folge ist auch gleich die gelungenste. In den kommenden 35 Minuten lotst Ulmen den Manta durch seinen Wohnort Potsdam und treibt mit seinem neuen Buddy jede Menge Blödsinn. Der erste Lieblingsort, an dem Station gemacht wird: ein Baumarkt. Die beiden erfreuen sich an den Kettensägen wie kleine Jungs und sprechen über allerlei Pikantes. Zwei Stichworte: Fetische und Hodenkrebs.

Letzteres allerdings hat auch einen ernsten Hintergrund: Oliver Polak erkrankte vor einigen Jahren tatsächlich an diesem gefährlichen Krebs und gilt nun nach mehreren Operationen als geheilt. Polak, der vor allem als Stand-up-Comedian bekannt geworden ist, wäre aber nicht Polak, wenn er das nicht für ein paar reißerische Pointen ausschlachten würde. Tatsächlich schafft er es, in jeder einzelnen Folge mindestens einen Witz über seinen Intimbereich zu machen. Ohnehin begeistert sich Polak in der Serie vor allem für Themen, die unterhalb der Gürtellinie liegen. Wer damit Schwierigkeiten hat oder nicht älter als zwölf Jahre ist, für den ist Your Life Is A Joke nichts.

In der zweiten Folge geht es mit der Rapperin und Schauspielerin Nura zunächst in ein Nagelstudio und danach zu einer Wahrsagerin, die nach eigener Aussage »Hellfühlen, Hellsehen und Energiearbeit« praktiziert. Als Nura auf Grundlage ihres Geburtsjahrs 1988 ein besonders harmoniebedürftiger Charakter diagnostiziert wird, kommentiert Polak: »Die ›88‹ ist hierzulande ja auch eine echte Glückszahl« – und das wird noch der harmloseste Witz zu diesem Thema bleiben.

AUTOBIOGRAFIE Zu seiner Verteidigung würde Oliver Polak vermutlich sagen: »Ich darf das, ich bin Jude.« So lautet auch der Titel seines 2008 erschienenen autobiografischen Buches. Darin erzählt er von seinem Leben als Jude und Sohn eines Holocaust-Überlebenden in der norddeutschen Provinz. Als Comedy-Künstler wird er aus diesen Erlebnissen immer wieder schöpfen und in seinen Shows über sein Jüdischsein Witze machen – oft bis an die Grenzen des Erträglichen.

Auf guten Geschmack nimmt Polak auch in Your Life Is A Joke und in Gedankenpalast nicht viel Rücksicht. Beide Programme haben viel Herz, vor allem aber albernen und schlüpfrigen Humor. Seine Fans wird es freuen!

Kulturkolumne

Was bleibt von uns?

Lernen von John Oglander

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Hollywood

Scarlett Johansson macht bei »Exorzist«-Verfilmung mit

Sie mimte die Marvel-Heldin »Black Widow« und nahm es in »Jurassic World: Die Wiedergeburt« mit Dinos auf. Nun lässt sich Scarlett Johansson auf den vielleicht düstersten Filmstoff ihrer Laufbahn ein

 25.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025