Buch

Laupheimer Geschichten

Fremd inm eigenen Land: Yascha Mounk lebt mittlerweile in den USA. Foto: Farrar, Straus and Giroux

Sind die Deutschen eigentlich alle Idioten? Diese Frage stellte sich beinahe zwangsläufig, als Yascha Mounk vergangene Woche im »Museum of Jewish Heritage« in Manhattan sein Buch Stranger in My Own Country vorstellte. Mounk ist ein Kind polnisch-jüdischer Eltern, die 1968 vor dem Antisemitismus flüchteten. Er wuchs in größeren und kleineren Städten Süddeutschlands auf, unter anderem in Laupheim, das ist ein Ort in der Nähe von Ulm.

Als an der Schule dort die Kinder nach Konfession eingeteilt wurden – evangelisch oder katholisch? –, antwortete er zögernd, dass er wohl »irgendwie jüdisch« sei. Die Antwort: allgemeines Gelächter. Denn das musste man keinem der anderen Kinder in dieser Schulklasse erklären: Juden gibt es nicht mehr, Punkt.

anekdoten Mounks Buch versammelt allerhand Anekdoten aus dem Alltag eines Menschen, den man mit Isaac Deutscher als »nichtjüdischen Juden« bezeichnen könnte. Der Autor wuchs ohne jüdische Religion und eigentlich auch ohne jüdische Kultur, aber in dem Bewusstsein auf, dass er ein wenig anders sei. Stranger in My Own Country versammelt Anekdoten, die keinem Juden zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen fremd sein dürften: Anekdoten über den klebrigen Philosemitismus und über den Judenhass à la »Man wird es doch wohl noch sagen dürfen!«. Deutschland will so gern normal sein, endlich normal, ganz und gar, und fällt just bei dem Versuch, seine Normalität zu beweisen, peinlich auf die Nase.

Yascha Mounk ist ein freundlicher und eloquenter junger Mann, das Publikum in Manhattan (ein nicht ganz voll besetzter Saal) hörte ihm mit Wohlwollen eine knappe Stunde lang zu. Im Anschluss wollte eine Dame wissen, wie es denn um den Antisemitismus der Muslime in Deutschland bestellt sei. Mounk antwortete, es gebe verschiedene Studien darüber, ob es unter Muslimen mehr oder weniger Judenhass gebe als in der Mehrheitsgesellschaft.

Auf jeden Fall sei nicht das das Hauptproblem, sondern der Umstand, dass als »deutsch« in Deutschland immer noch nur jemand anerkannt werde, der von arischen Eltern abstamme und entweder evangelisch oder katholisch getauft sei. Juden in Deutschland, die sich mit fremdenfeindlicher Stimmung etwa gegen Türken gemein machten, gingen in eine gefährliche Falle.

unerwähnt Worüber an diesem Abend seltsamerweise niemand sprach, war die Israel-Obsession der Deutschen. Mounk erwähnte zwar das Gedicht von Grass, in dem die Juden einen Völkermord an den Iranern planen, aber er erzählte nicht, wie sich der zwanghafte deutsche Antizionismus für deutsche Juden im Alltag anfühlt. Auch die sogenannte Beschneidungsdebatte wurde nur in einem Halbsatz erwähnt.

Die New York Times hat Stranger in My Own Country mit sehr verhaltenem Applaus bedacht. Es sei »wackelig, noch nicht ganz fertig zusammengesetzt, mehr der Rahmen eines Buches als das geschliffene und polierte Endprodukt«. Ganz und gar verfehlt findet der Rezensent Mounks Versuche, seine deutschen Erfahrungen auf die USA zu übertragen, etwa auf den Umgang der Weißen mit den schwarzen Amerikanern.

Die amerikanische Gesellschaft, schreibt Mark Oppenheimer in seiner Besprechung, habe ihre eigenen »Komplexitäten« und am besten sei Mounk – obwohl er darauf beharrt, kein Deutscher zu sein – immer dann, wenn er die gequälte deutsche Seele auslote.

Los Angeles

Louise Sorel wird 85

Wer »Star Trek«, »Kojak« und »Zeit der Sehnsucht« kennt, kennt Louise Sorel. Die Karriere der Darstellerin begann auf dem Broadway

 04.08.2025

Einwurf

Warum Heine hilft

Wer die Bilder der ausgemergelten Geiseln Rom Braslavski und Evjatar David kaum ertragen kann, findet Trost in Heinrich Heines Gedichten. Seine Verse sind auch heute so wahrhaftig wie vor 200 Jahren

von Maria Ossowski  04.08.2025

Geburtstag

Iris Berben wird 75

Publikumsliebling, Volksschauspielerin und Trägerin des Leo-Baeck-Preises: Am 12. August wird Iris Berben 75 Jahre alt

von Heike Hupertz  04.08.2025

Blockbuster

Von Nordsee bis Bodensee: Spielbergs »Der weiße Hai« wieder im Kino

In mehr als 250 Kinos in Deutschland wird am Dienstag Spielbergs »Jaws« gezeigt

von Gregor Tholl  04.08.2025

Theater

Abrechnung in O-Tönen

Karl Kraus hielt seine Tragödie »Die letzten Tage der Menschheit« für unspielbar. Bei den Salzburger Festspielen ist es dennoch gelungen

von Micha Schleicher  03.08.2025

Aufgegabelt

Live-forever-Slaw

Rezepte und Leckeres

von Sophia Giesecke, Uri Triest  03.08.2025

Debatte

Liebe »Kulturschaffende«, liebe nützliche Idioten!

Ein Offener Brief an die 200 Künstler, die plötzlich ihr Gewissen entdecken und an Bundeskanzler Merz appellieren, aber mit keinem Wort die israelischen Geiseln erwähnen

von Jusek Adlersztejn  02.08.2025

Meinung

Linke Solidarität und das Bedürfnis, im richtigen Club zu spielen

Die deutsche Linke ist bemerkenswert selektiv: Während sie der Ukraine zu Recht ihre Souveränität zubilligt und den russischen Angriffskrieg verurteilt, scheint für Israel ein anderes Regelwerk zu gelten

von Serdar Somuncu  01.08.2025

Herzliya

Leonardo DiCaprio beteiligt sich an Luxus-Hotelprojekt in Israel

Die Baugenehmigung ist bereits erteilt

 01.08.2025