Geburtstag

Klopfen an der Himmelstür

Foto: dpa

Wer über Bob Dylan motzen will, hat immer recht: Wenn der Kerl singt, dann knarzt, knittert und krächzt er, dass man alles Mögliche versteht, nur kein Wort. In seine auf einem putzigen Drahtgestell befestigte Mundharmonika bläst und pustet er, dass jedes Lagerfeuer ausginge. Und weil ihm vom Gewicht der ohnehin nur mäßig beherrschten E-Gitarre der Rücken wehtut, spielt Dylan mittlerweile den größten Teil seiner Konzerte an der Hammondorgel.

»Forever Young« sieht anders aus. Doch Dylan, der am heutigen Dienstag 75 wird, macht immer noch Musik. Und seine Fans kommen weiter zu seinen Auftritten, obwohl der Musiker sich Zeit seines Lebens redlich bemüht hat, alle Erwartungen, die in ihn gesetzt werden, zu enttäuschen, ja: zu zertrümmern.

rebell Geboren wurde er am 24. Mai 1941 als Robert Allen Zimmerman im amerikanischen Duluth/Minnesota. In der nahen Kleinstadt Hibbing verbrachte er eine normale jüdische Mittelschichtsjugend: viel introvertierte Sinnsuche, vor allem im riesigen Schatz der amerikanischen Folkmusik und ein bisschen Rock ’n’ Roll. Von den spießigen Käffern in Minnesota, von der väterlichen Klitsche »Zimmerman Furniture & Electronics« und auch vom Judentum hatte der junge Robert bald die Schnauze voll.

Mit noch nicht mal 20 Jahren haute er ab, erst nach Minnesota, dann nach New York, gab sich den Namen Bob Dylan, erfand beinahe jeden Abend eine neue Geschichte über seine Herkunft und wie er angeblich durch Amerika getrampt war. Das einzige religiöse Fest, das er feierte, war Weihnachten, das hat seine damalige große Liebe, die 2011 verstorbene Suze Rotolo, verraten.

Das etwa ist der Bob Dylan, der in den 60er-Jahren mit Songs wie »Blowin’ in the Wind«, »Like a Rolling Stone« und »The Times They are A-Changin’« erst den Folk revolutionierte, dann den Folkrock erfand und mit einer Sprachgewalt ohnegleichen zum, je nach Gusto, Baudelaire, Shakespeare oder Brecht der Rockmusik ausgerufen wurde.

wurzeln 1965 heiratet Dylan, 1966 kommt der erste Sohn zur Welt, im selben Jahr hat er einen schweren Motorradunfall, und 1968 stirbt sein Vater. Da beginnt er, »ein bisschen Interesse« für seine jüdischen Wurzeln zu entwickeln, wie es der Biograf Nigel Williamson ausdrückt. Er liest viel in den Schriften,
führt mit dem rechtsextremen Rabbi Meir Kahane von der Jewish Defense League lange Gespräche. 1971 reist Dylan erstmals nach Israel. Ernsthaft überlegt er, sich mit seiner Frau und den mittlerweile vier Kindern in einem Kibbuz anzusiedeln.

Er tut es dann doch nicht. Denn es gibt eine Art Dylansches Bewegungsgesetz: Auf eine ichbezogene, spirituelle, meist religiöse Phase folgt stets eine säkulare, offensive, meist politische Etappe. Eine der politischsten beginnt 1973/74. Mit The Band geht er auf große Tour – das Doppelalbum Before the Flood entsteht dabei –, und 1975/76 kommt es zur »Rolling Thunder Revue«, bei der Dylan zusammen mit Joan Baez, Roger McGuinn und Ramblin’ Jack Elliott ein furioses Bühnenspektakel inszeniert und unter anderem die Freilassung des unschuldig inhaftierten Boxers »Hurricane« Carter fordert. In diese Zeit fallen auch Hard Rain und Desire sowie der Western Pat Garrett & Billy the Kid (1973) von Sam Peckinpah mit Dylan in einer Nebenrolle.

christentum Ende der 70er-Jahre folgt die nächste Einkehr: die Konversion zum evangelikalen Christentum. Es war die härteste Zäsur in Dylans Leben und – ausgewiesen durch Alben wie Saved (1981) und Shot of Love (1981) – auch seine künstlerisch schlechteste Zeit. Ihr Ende leitete er 1983 mit dem programmatischen Album Infidels ein. Die Abwendung vom Christentum (dem er so tief nie wirklich verbunden gewesen sein kann – auch in Dylans Jesus-Phase wurden seine Kinder Bar- und Batmizwa), bringt ihn wieder zu seinen jüdischen Wurzeln.

Auf dem Album zeigt ein Foto Dylan, der vor der Silhouette Jerusalems einen Stein aufhebt. Und er singt den Song »Neighborhood Bully«, ein Plädoyer für den Staat Israel und sein Existenzrecht: »His enemies say he’s on their land / They got him outnumbered about a million to one / He got no place to escape to, no place to run. (...) He’s criticized and condemned for being alive / He’s supposed to lay down and die when his door is kicked in.«

sünde Künstlerisch sind Dylans religiöse Phasen die schwächeren; das gilt vor allem, aber nicht nur für die christliche Periode. 1989 etwa, als er erstmals (und bislang einmalig) an einer großen Spendenaktion von Chabad teilnahm, erschien auch das schaurige Oh Mercy. Klassen besser sind Dylans säkulare Werke.

Aber sind sie wirklich so weltlich? Dylans Texte sind in allen Phasen seines Schaffens glaubensgeprägt. Von Anfang an hat er extensiv mit Bibelzitaten gearbeitet, religiöse Bilder verwendet, mit messianischem Furor gesungen und musiziert. Das Schlüsselwort dabei ist »sin«, sagt der amerikanische Literaturwissenschaftler Christopher Ricks: Sünde sei die Dylansche Kategorie zur Erklärung der Welt.

Die ganze Kraft seiner Dichtung, die ihn jedes Jahr zum Favoriten auf den Literaturnobelpreis werden lässt, verdankt sich Bildern von Sintflut und göttlicher Strafe. »A Hard Rain’s A-Gonna Fall«, »Knockin’ on Heaven’s Door«, »Chimes of Freedom« sind biblisch inspiriert. »Bachs Matthäus-Passion lässt einem mehr Spielraum als Dylans Texte«, resümierte der verstorbene Dylan-Kenner Günter Amendt 1979.

1960 floh Robert Allen Zimmerman aus seinem jüdischen Minnesota ins weltliche New York. Bis zum heutigen Tag will er nicht nur seinen geografischen, sondern auch seinen religiösen Wurzeln entkommen. Natürlich gelingt ihm das nicht. Denn, wie es seine Tante Ethel Crystal formuliert: »Er denkt jüdisch, sehr jüdisch. Er wurde ja so erzogen.«

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