Porträt

Kämpferin mit unbändiger Freude am Leben

Peggy Parnass (hier 2013 mit Ralph Giordano sel. A.) Foto: imago

Die Wohnung der Autorin, Publizistin und Schauspielerin Peggy Parnass im Hamburger Stadtteil St. Georg ist von oben bis unten mit Erinnerungen vollgestopft: Bilder, Zeichnungen, Fotografien und Bücher hängen an den dunkelgrünen Wänden, Zeitschriften stapeln sich auf dem Boden.

Auf Augenhöhe über ihrer Schlafcouch im Wohnzimmer hängen drei Fotografien ihrer Eltern: Papa Pudl, Mama Hertha und Klein-Peggy, auf Mamas Arm und mit ihrem kleinen Bruder Gady. Es sind die einzigen Erinnerungen, die Peggy Parnass von ihren Eltern geblieben sind: Beide wurden 1942 von den Nationalsozialisten in Treblinka ermordet - weil sie Juden waren.

SCHWEDEN Peggy Parnass, die nach eigenen Angaben am 11. Oktober 92 Jahre alt wird, überlebte und widmete ihr Leben fortan dem Kampf gegen Ungerechtigkeit, Intoleranz und das Vergessen. Laut Munzinger wurde Parnass am 11. Oktober 1934 geboren.

Noch heute fällt es ihr schwer, zum Bahnhof zu gehen - zu schmerzhaft sind die Erinnerungen.

Mit einem der letzten Kindertransporte wird Peggy 1939 zusammen mit ihrem vierjährigen Bruder Gady nach Schweden verschickt - der Abschied von ihrer Mutter am Hamburger Hauptbahnhof hat sich für immer in ihrem Gedächtnis eingebrannt - noch heute fällt es ihr schwer, zum Bahnhof zu gehen - zu schmerzhaft sind die Erinnerungen.

LINKE In Schweden durchlebt Peggy Parnass, die alle nur Peggy nennen und die alle Menschen duzt, ein Martyrium: getrennt von ihrem geliebten Bruder Gady wächst sie in vielen verschiedenen Pflegefamilien auf. Kurz vor Kriegsende kommen beide zu ihrem Onkel nach London.

Später studiert sie in Stockholm, London und Paris - und kehrt doch wieder nach Hamburg zurück, »weil ich hier lauter dufte Leute getroffen habe, alles Linke, Antifaschisten und Widerstandskämpfer«. Mit dem Schriftsteller Peter Rühmkorf, »Konkret«-Gründer Klaus Rainer Röhl und Dick Busse lebt sie zusammen, sie gründen eine Studentenbühne und machen politisches Kabarett.

Peggy Parnass engagiert sich politisch, ist in zahlreichen Protestbewegungen aktiv, »weil es der Selbstrespekt verlangt, den Versuch zu machen, etwas zu bewegen«. Viele Jahre lang schreibt sie Kolumnen und Gerichtsreportagen für die linke Zeitschrift »Konkret«, in denen sie sich als genau beobachtende Moralistin erweist.

NS-PROZESSE Ihr Buch Prozesse 1970-1978 wird 1980 mit dem Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union ausgezeichnet. »Eigentlich wollte ich über NS-Prozesse schreiben. Aber von den mehr als 500 Prozessen, über die ich berichtet habe, waren nur drei NS-Prozesse«, erzählt sie. Es folgen autobiografisch geprägte Anthologien (Unter die Haut etwa oder Süchtig nach Leben).

»Der Rechtsruck in ganz Europa macht mir Angst«, sagt Parnass.

Noch heute nimmt die zierliche Frau mit den roten Haaren an Demonstrationen teil, fährt dann aber meistens auf dem Wagen, weil ihr das Gehen langsam schwer fällt. »Der Rechtsruck in ganz Europa macht mir Angst«, sagt sie, »in Deutschland kann man noch gut leben«.

Ein Projekt, das ihr besonders am Herzen liegt, sind die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig, die vor vielen Häusern an die ehemaligen jüdischen Bewohner erinnern - auch an ihre Eltern in der Methfesselstraße 13 im Stadtteil Eimsbüttel. Deshalb war sie entsetzt, als vor wenigen Wochen der Stolperstein, der an ihre Tante Renata Rahel Drehmel erinnert, zerstört wurde. »Schrecklich ist das, ganz schrecklich. Dass man Tote noch mal umbringt.«

Camille Pissarro

Leidenschaft. Freiheit. Kunst

Das Potsdamer Museum Barberini zeigt mehr als 100 Gemälde des jüdischen Impressionisten

von Maria Ossowski  21.08.2025

Roman

Unter den Dächern von Paris

Fast 100 Jahre nach ihrem Entstehen erscheint Sebastian Haffners berührende Liebesgeschichte

von Alexander Kluy  21.08.2025

TV-Tipp

»Wonder Woman«: Von der Welt der griechischen Sagen in den Ersten Weltkrieg

Das Entree der Comic-Heroine Wonder Woman in die Welt des modernen Blockbuster-Kinos ist nach wie vor eine der besten unter den (Neu-)Verfilmungen von DC-Comics

von Jan Lehr  21.08.2025

Rezension

»Chabos« fährt mit Vollgas in die Nullerjahre

Die Streaming-Serie bringt Zuschauer zurück in die 2000er. Mitten in eine verhängnisvolle Nacht mit einem illegalen Film-Download

 21.08.2025

Kulturkolumne

Verhandeln auf Tinder

Dating in Zeiten der Wassermelone

von Laura Cazés  21.08.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  21.08.2025

Imanuels Interpreten (12)

Paula Abdul: Die Tänzerin

Die auch als Sängerin, Schauspielerin und Geschäftsfrau bekannte kalifornische Jüdin führt ein abwechslungsreiches Leben

von Imanuel Marcus  20.08.2025

Zahl der Woche

94 Prozent

Fun Facts und Wissenswertes

 20.08.2025

Potsdam

Kunstprojekt zu NS-Geschichte

Die beteiligten Künstlerinnen zeigen in Installationen, Malerei und Videoarbeiten, wie weit transgenerationelle Traumata bis heute wirken

 20.08.2025