Cartoons

Judenhass für Dummies

Zum Lachen oder zumindest Schmunzeln Foto: PR

Schon das Titelbild macht Laune. In einem Cartoon ist ein korpulenter Glatzkopf neben seiner Gattin im langen Abendkleid mit blonder Schneckenfrisur zu sehen. Beide mit dem Champagnerglas in der Hand, erklären sie der Gastgeberin, weshalb sie zum Judentum konvertieren möchten: »Wir wollen auch Teil dieser Weltverschwörung werden!« Darüber der Titel: #Antisemitismus für Anfänger. Eine Anthologie.

Was hier mit einem Blick deutlich wird, ist Philosemitismus als eine besonders perfide Form. Wer darüber lachen oder zumindest schmunzeln kann, tut gut daran, das im Ariella-Verlag herausgegebene Bändchen näher zu betrachten.

Satiriker Das kleine Werk beginnt mit einem kurzen Text von Ellen Presser, der nicht den Anspruch erhebt, selbst satirisch zu sein, sondern vielmehr darauf verweist, was Satiriker bewirken können: »Sie sehen Dinge voraus, kommentieren klar, wo die meisten von uns höchstens ein vages Unbehagen spüren.«

Den zeichnerischen Auftakt macht der »Stern«-Cartoonist Til Mette. In spärlich besetzten Kirchenbänken unterhalten sich zwei Besucher. Der eine sagt: »Unser Pfarrer hat einen wunderbaren Sinn für Humor!« Sein Gegenüber fragt: »Ist der Jude?« Der Cartoon wirft die Frage auf, ob es einen spezifisch jüdischen Humor überhaupt gibt.

Mette ist dieser Meinung und hat das einmal gegenüber dieser Zeitung so beschrieben: »Jüdischer Humor lebt unter anderem von seiner Selbstironie, dem urbanen Kontext und hat bei allem Zynismus am Ende eine oft versöhnliche Pointe.« Worin aber liegt in dieser Zeichnung der Antisemitismus? Darin, dass Juden auf ihren Humor reduziert werden? Das wäre ein wenig weit hergeholt, lustig ist der Cartoon dennoch.

Humor Til Mette ist mit neun weiteren Cartoons vertreten, und denen ist anzumerken, dass der Ex-Bielefelder in seiner New Yorker Zeit in einem »komplett jüdischen Freundeskreis« verkehrte. Jüdischer Humor scheint also ansteckend zu sein.

Im Nachwort werden Cartoonisten von Weltrang genannt, die hier vertreten sind: Sam Gross vom »New Yorker«, die mit dem Deutschen Karikaturenpreis prämierte Miriam Wurster, der Israeli Yaakov Kirschen und die in Berlin lebende Cartoonpreisträgerin Katharina Greve, von der auch das Cover stammt. Es sind aber auch Tim Oliver Feicke vertreten und Dirk Meissner, dem es mit wenigen Strichen gelingt, rassistische Tendenzen bei der Polizei aufs Papier zu bringen, Ben Gershon, dessen Comics den Lesern der Jüdischen Allgemeinen bekannt sind, auch Burkh, Jan Tomaschoff und andere.

Bei den Texten bekamen diesmal Autoren eine Chance, die bislang selten bis gar nicht als Satiriker in Erscheinung getreten sind – abgesehen vom ehemaligen »Titanic«-Chefredakteur Thomas Gsella, der mit zwei Reimgedichten zum Thema vertreten ist. Wladimir Kaminer vertritt die These, »dass fast jede Begegnung der Antisemiten mit den Juden eine Enttäuschung ist«. Die Bloggerin Juna Grossmann macht sich über einen nichtjüdischen Liebhaber lustig, der sich davor fürchtet, von ihr beschnitten zu werden.

Hintersinn Rabbiner Walter Rothschild gibt einem witzigen kurzen Dialog einen theologischen Hintersinn. Die Schriftstellerin Ramona Ambs macht sich über das Interesse goischer Frauen am »jüdischen Sex« lustig, und Alan Posener beschreibt, warum er seiner Mutter nicht glauben wollte, dass sein Vater Jude sei.

Dmitrij Kapitelman erzählt, wie die Jugend eines asiatischen Inselstaates davon überzeugt ist, dass die israelische Mafia während des Ramadan im Internet die Pornos verlangsamt. Der Filmemacher Michael Bergmann beschreibt die Reaktionen in einer TV-Redaktionskonferenz, nachdem er ein Sendeformat Deutschland sucht den Supernazi vorgeschlagen hat, und Michael Wuliger weiß von einer ungarischen Verschwörungstheorie, wonach die Israelis sich perspektivisch am Plattensee ansiedeln wollten, weshalb der Mossad von El-Al-Piloten schon mal das Gebiet fotografieren lässt.

Schon im Jahr 1931, bemerkt Ellen Presser im Vorwort, habe Kurt Tucholsky in der »Weltbühne« angeboten, »für 62,50 Mark monatlich« Material über Juden zu liefern, »das wenigstens echt ist«. Der von Myriam Halberstam edierte Band ist für 18 Euro zu haben.

Myriam Halberstam (Hg.): »#Antisemitismus für Anfänger. Eine Anthologie«. Ariella Verlag, Berlin 2020, 96 S., 18 €

Taormina Film Fest

Michael Douglas entschuldigt sich für Politik der US-Regierung

Der Darsteller erhält von Iris Knobloch eine Ehrung für sein Lebenswerk. Die Vergabezeremonie in Sizilien nutzt er für Kritik an seinem Land

 16.06.2025

Fernsehen

Luftraum in Israel gesperrt: »Fernsehgarten« ohne Kiewel

Die Moderatorin lebt in Tel Aviv - doch zu ihrer Jubiläumssendung konnte sie nicht anreisen

 15.06.2025

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025

Kunst

Öffnet die Herzen!

Die Israelin Bracha Lichtenberg Ettinger fordert mit einer intensiven Einzelschau in Düsseldorf die Besucher heraus

von Eugen El  15.06.2025

Interview

Susan Sideropoulos über Styling-Shows und Schabbat

GZSZ-Star Susan Sideropoulos hat im ZDF die neue Makeover-Show »That’s My Style«. Nur wenige wissen jedoch, wie engagiert die Enkelin jüdischer NS-Opfer gesellschaftspolitisch ist

von Jan Freitag  13.06.2025

Aufgegabelt

Pastrami-Sandwich

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Streaming

Doppelte Portion Zucker

Mit »Kugel« ist den Machern der Kultserie »Shtisel« ein vielschichtiges Prequel gelungen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025

TV-Tipp

Das Schweigen hinter dem Schweinderl

»Robert Lembke - Wer bin ich« ist ein kluger Film über Verdrängung, Volksbildung und das Schweigen einer TV-Legende über die eigene Vergangenheit. Nur Günther Jauch stört ein wenig

von Steffen Grimberg  12.06.2025

Kulturkolumne

Annemarie, Napoleon und ich

Gute Bücher wachsen mit, hat mein Großvater immer gesagt. Warum »Desirée« von Annemarie Selinko uns alle überleben wird

von Sophie Albers Ben Chamo  12.06.2025