Musik

»Jeder hat einen Rhythmus«

Rhani Krija Foto: Marco Limberg

Herr Krija, Sie haben vor Kurzem in Ihrem Percussion-Workshop auf dem Gemeindetag über verschiedene Rhythmen gesprochen, über »Karachi« und »Hadari«. Welches ist Ihr Lieblingsrhythmus?
Ich möchte gern in Balance bleiben. Ich möchte zufrieden mit mir sein, mit allen Menschen klarkommen und etwas Gutes tun, bevor ich diese Welt verlasse. Das ist mein persönlicher Rhythmus.

Sie sind in Marokko geboren. Wo genau?
Ich komme aus Essaouira, einer Stadt an der marokkanischen Atlantikküste, die für ihr jüdisches Kulturgut bekannt ist. Für mich sind Juden aus Marokko Marokkaner jüdischen Glaubens – meine Landsleute. Sie haben viel dazu beigetragen, dass die typisch marokkanische Musik erhalten geblieben ist.

Welche ist das?
Es ist andalusische Musik. Als die Juden aus Andalusien vertrieben wurden, haben sie ihre Kultur mit nach Marokko gebracht. Und diese reichen Rhythmen, die man übrigens nicht mit den orientalischen Rhythmen verwechseln darf, sind erhalten geblieben. Was ich auf dem Gemeindetag versucht habe, ist, den Leuten Zugang zu diesen Klängen zu verschaffen. Zu zeigen, woher sie kommen und wer sie gespielt hat.

Was passiert im Kopf, wenn man einen gewissen Rhythmus schlägt?
Ich habe ein paar Übungen gemacht, um zu demonstrieren, wie Körper und Musik zusammenwirken. Wie es mit der Koordination geht, was es heißt, einen Rhythmus auch zu halten. Es geht gar nicht so sehr darum, das Instrument zu spielen, sondern jeder hat Rhythmus in sich. Das Herz schlägt in einem gewissen Rhythmus, die Lunge pumpt, wir sprechen rhythmisch, wir laufen und hören in einem bestimmten Rhythmus. Alles ist Rhythmus: die Sonne, der Mond. Hinter allem sehe ich diese Regelmäßigkeit.

Wann hat das bei Ihnen angefangen?
Ich hatte das schon von Kindheit an in mir. Meine Mutter erzählt immer, dass ich bereits ganz früh auf allem getrommelt habe, was es so gab. Ich habe Ölkanister umgedreht und darauf getrommelt, auf alten Autos – die alten Autos klangen übrigens viel besser als die neuen aus Kunststoff, die haben keinen Klang mehr. Ich habe eigentlich in Aachen Elektrotechnik studiert, und irgendwann wusste ich, dass Musik das ist, was ich machen will. Ich habe mich in einem Raum eingeschlossen und wollte den Anspruch, den mein Gehör an die Musik hat, mit meinen Händen umsetzen. Das ist bis heute eine Herausforderung für mich.

Sie haben erzählt, dass Sie, als Sie nach Deutschland gekommen sind, lernen sollten, leise zu sein.
Vielleicht sollte man dazu einmal einen Sozialwissenschaftler befragen, warum hier alles so leise ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das immer so war. In Marokko kommen die Nachbarn herüber, wenn sie Musik hören und feiern mit. Auch bei marokkanischen Hochzeiten ist es nicht üblich, dass die Band von acht bis neun Uhr abends spielt. Es geht abends los und hört im Morgengrauen auf. Man kann auf marokkanischen Hochzeiten nicht einfach mit der Musik aufhören, die Menschen wollen tanzen! Ich habe auch auf Deutsch das Wort Jude, Christ oder Ausländer gelernt. Für mich war es nie von Bedeutung, dass meine Nachbarn jüdisch waren.

Wie haben Sie die Situation als Kind erlebt?
Wir haben gegenseitig aufeinander aufgepasst. Wir waren Freunde, Kumpel, Geschwister. Wenn unsere Mütter auf den Markt gingen, dann waren wir zusammen. Von der Neigung, nach Religionen zu unterscheiden, habe ich erst erfahren, als ich Deutsch gelernt habe. Vorher habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht. In der Geschichte meiner Stadt gab es teilweise mehr Juden – was ja auch logisch ist, weil der Glaube einfach älter ist. Das ist vollkommen normal. Und ich bin mir sicher, dass, wenn jeder Marokkaner in seiner Herkunft suchen würde, er jüdische Vorfahren fände. Je nach Dynastien gab es in Marokko auch viel Missgunst, aber bis heute ist es ein Gesetz, dass jüdische Marokkaner in das Land zurückkommen dürfen. Sie sind Marokkaner.

Sind Sie noch oft dort?
Ja, in Essaouira. Wir sind eine Monarchie und sind froh darüber. Musik spielt bei uns eine große Rolle. Marokkaner hören gern ihre eigene Musik, aber sie sind auch sehr offen für neue Klänge. Es gibt jede Menge Festivals im ganzen Land, auf denen ich beispielsweise mit Sting aufgetreten bin. Wir haben Synagogen, viele Menschen kommen nach Marokko, um zu heiraten. Ich finde, jeder sollte das Land einmal besucht haben.

Mit dem Musiker sprach Katrin Richter.

Weitere Infos unter
www.facebook.com/rhani.krija

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025