»Skin«

Geschichte einer Häutung

Hass auf der Haut: Jamie Bell spielt Bryon Widner. Foto: Ascot Elite Entertainment / 24 Bilder

In einem sterilen OP-Zimmer wartet ein kahlgeschorener Mann auf die langwierige und extrem schmerzhafte Prozedur, mit der seine Tätowierungen entfernt werden sollen. Sein Körper, selbst sein Gesicht ist von Zeichen, Bildern und Schriften überzogen, die nicht nur als Schmuck dienen. Sie erzählen von einer Lebensgeschichte, die sich einst dem Rassismus verschrieben hatte.

Resozialisierung Der israelische Regisseur Guy Nattiv erzählt in seinem Independent-Drama Skin die Geschichte eines Gesinnungswandels, die auf den Erfahrungen des ehemaligen US-Neonazis Bryon Widner basiert. Dessen Resozialisierung ist nicht nur an innere Einsichten gebunden, sondern geht mit dem schmerzvollen Akt der Entfernung seiner Körpermarkierungen einher.

Rückblenden entfalten Widners Einstieg in eine radikalisierte Szene, die sich als Clan organisiert und jede Aufnahme eines neuen Mitglieds mit martialischen Ritualen besiegelt. Er ist 14 Jahre alt, als ihn der »Vinlander Social Club«, eine Splittergruppe der berüchtigten »Hammerskins«, von der Straße aufliest. Nordische Mythologien wie der Hammer Thors werden für Krieger- und Männlichkeitsbilder instrumentalisiert, die sich an die rassistischen Überzeugungen der »White Power«-Bewegung anschließen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der Film interessiert sich insbesondere für die Mechanismen, mit denen der Clan seine Verfügungsgewalt über die Mitglieder aufrechterhält: über pervertierte Familienstrukturen. Die Vorsteher des Clans, Fred Krager (Bill Camp) und seine Ehefrau Shareen (Vera Farmiga), lassen sich von den Mitgliedern mit »Ma« und »Pa« anreden. Sie erzeugen darüber Hörigkeitsbeziehungen, wie sie aus Sekten bekannt sind.

Für die jungen Rekruten, die meist aus dysfunktionalen Elternhäusern stammen, führt dies in Abhängigkeit und eine starke Brutalisierung. Wenn Shareen ihre »Söhne« einkleidet, rasiert und auf den Mund küsst, spürt der Zuschauer dieselbe Bedrohlichkeit wie bei den unvermittelten Ohrfeigen, mit denen »Pa« Fehlverhalten abstraft. Die scheinbare Fürsorge und die Gewalt ergänzen sich zu einem familienähnlichen System, aus dem es kaum einen Ausweg gibt.

Jamie Bell spielt den erwachsenen Bryon Widner mit beeindruckender Intensität und physischer Präsenz. Es gelingt ihm, neben maßloser Wut eine Verletzlichkeit spürbar zu machen, die Widner schließlich zum Ausstieg aus der Szene gebracht hat.

Armut Skin konzentriert sich im Gegensatz zu vergleichbaren Filmen wie American History X oder Romper Stomper nicht auf die Hypermaskulinität des Protagonisten, sondern auf eine außergewöhnliche Liebesgeschichte. Danielle Macdonald verkörpert Widners spätere Ehefrau Julie Price, eine dreifache Mutter, die der rechten Szene bereits den Rücken gekehrt hat. Über die Nähe zu ihren Kindern erkennt Widner, dass er selbst für andere sorgen will.

Ein Großteil des Films widmet sich dem Prozess des Aussteigens, wodurch in den Blick kommt, welche Veranlagungen junge Männer wie Widner in den Rechtsextremismus treiben. Stellenweise hätte dies noch deutlicher herausgearbeitet werden können. Armut, Perspektivlosigkeit und Suchtstrukturen werden als Ausgangspunkte des Abrutschens benannt. Auch der Alkoholkonsum innerhalb des Clans, der regelrecht erzwungen wird, spielt eine wichtige Rolle. Durch Enthemmung werden gewalttätige Übergriffe normalisiert – und gleichzeitig die Kontrolle über die Mitglieder gesichert.

Haftstrafe Die wichtigste Rolle in Widners Ausstieg spielt indes der schwarze Aktivist Daryle Jenkins (Mike Colter). Das von ihm ins Leben gerufene Resozialisierungsprogramm ermöglicht es jungen Menschen, eine lange Haftstrafe oder einen möglichen frühen Tod abzuwenden. Die Zusammenarbeit mit dem Zeugenschutzprogramm des FBI macht deutlich, was dabei auf dem Spiel steht.

Skin zeigt dies in einer Szene am Krankenbett, in der das Ehepaar Krager dem schwerverletzten Widner die Konsequenzen seiner Abwendung vom Clan deutlich macht. Der mörderische Anspruch auf seinen Körper unterstreicht, was die Tätowierungen auf seiner Haut ausdrücken: Sie sind nicht nur an die Außenwelt gerichtete Zeichen einer ideologischen Verblendung, sondern auch der Hörigkeit gegenüber Strukturen der Gewalt.

Ab 3. Oktober im Kino.

Nach Absage in Belgien

Dirigent Shani in Berlin gefeiert

Nach der Ausladung von einem Festival werden die Münchner Philharmoniker und ihr künftiger Chefdirigent Lahav Shani in Berlin gefeiert. Bundespräsident Steinmeier hat für den Fall klare Worte

von Julia Kilian  15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Bremen

Seyla Benhabib erhält den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken

Die Jury würdigte Benhabib als »herausragende politische und philosophische Intellektuelle«

 15.09.2025

Eurovision

Israel hält nach Boykottaufrufen an ESC-Teilnahme fest

Israel will trotz Boykott-Drohungen mehrerer Länder am Eurovision Song Contest 2026 teilnehmen. Wie andere Länder und Veranstalter reagieren

 15.09.2025

Antisemitismusskandal

Bundespräsident trifft ausgeladenen Dirigenten Shani

Nach dem Eklat um eine Ausladung der Münchner Philharmoniker in Belgien hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den künftigen israelischen Chefdirigenten Lahav Shani ins Schloss Bellevue eingeladen

von Anne Mertens  15.09.2025

Literatur

Ein Funke Hoffnung

Rafael Seligmann hält Deutschland derzeit nicht für den richtigen Ort einer Renaissance jüdischen Lebens. Trotzdem gibt er die Vision nicht auf. Ein Auszug aus dem neuen Buch unseres Autors

von Rafael Seligmann  15.09.2025

Los Angeles

»The Studio« räumt bei den Emmys 13-fach ab

Überraschende Sieger und politische Statements: Ausgerechnet eine jüdische Darstellerin ruft eine israelfeindliche Parole

von Christian Fahrenbach  15.09.2025

Freiburg im Breisgau

»Keine Schonzeit für Juden«: Neues Buch von Rafael Seligmann

Antisemitismus, der 7. Oktober 2023, ein Umzug von Tel Aviv nach München in den 1950er Jahren und ein bewegtes Leben: Der Historiker streift und vertieft in seinem aktuellen Werk viele Themen

von Leticia Witte  15.09.2025

Kino

Für Hermann Göring lernte Russell Crowe Deutsch

Crowe spielt den Nazi-Verbrecher in »Nuremberg«, einem packenden Thriller über die Nürnberger Prozesse

von Manuela Imre  14.09.2025 Aktualisiert