Konferenz

Forschen in Zeiten der Krise

Auf Kosmologie spezialisiert: Physiker Tal Adi Foto: Torben Nuding/Lindau Nobel Laureate Meetings

Zum 73. Mal treffen sich in Lindau am Bodensee 30 Nobelpreisträger sowie 650 Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt. In diesem Jahr steht die Physik im Mittelpunkt. Doch vieles ist anders als sonst. Teilnehmer aus Russland und der Ukraine fehlen. Aber auch Israelis sind weniger vertreten. Manche sind gerade in der Armee, andere konnten oder wollten nicht anreisen.

Einer, der trotzdem kam, ist Tal Adi, spezialisiert auf Kosmologie. Der Physiker von der Ben-Gurion-Universität des Negev erforscht die Schnittstellen zwischen Hochenergie-Teilchenphysik, Astrophysik sowie den Rätseln rund um den Ursprung des Universums. Auch für ihn hat sich seit dem 7. Oktober 2023 viel verändert, erzählt er. Sein eigentlicher Plan war es, eine Weile in den USA zu arbeiten. Doch die Ereignisse hatten auch ihn traumatisiert. »Ich hatte keine Gefühle, nichts, was zählte.« Lindau sei deshalb für ihn eine Möglichkeit, einmal durchatmen zu können, kurz Abstand zu gewinnen.

Wissenschaft sei ein Ort, bei dem die Politik außen vor bleiben sollte und es nichts Trennendes geben darf, wurde anlässlich der Eröffnung der Tagung betont – Sätze, die auch Adi gefallen. Der 33-Jährige versucht, seine Forschungsarbeit von den täglichen Nachrichten zu trennen. Wie ihm geht es wohl vielen Wissenschaftlern in Israel, glaubt Adi. Aber nur wenige möchten darüber sprechen. Erschwerend kommen die Boykotte gegen Israelis hinzu. Die Forschung gehe aber weiter, auch wenn Freunde von ihm derzeit ständig zwischen Labor und Armee wechseln müssen. »Jeder möchte zurückkehren in sein normales Leben.« Dennoch schaffe er es, sich in diesen schwierigen Zeiten auf seine Forschung zu fokussieren, sagt Adi.

Der israelische Physiker Dan Shechtman erhielt 2011 den Nobelpreis für Chemie

Auch Dan Shechtman versucht das. 2011 hatte der israelische Physiker den Nobelpreis für Chemie erhalten. Regelmäßig hält er Vorträge und ist ein gefragter Gesprächspartner, eloquent und eigentlich immer gut gelaunt – auch in Zeiten wie diesen. »Früher führten wir Krieg gegen andere Länder, heute gegen eine Terrororganisation«, sagt er. Bis zu seinem 50. Lebensjahr war auch er Reservist der israelischen Armee. Nun aber ist Shechtman 83 Jahre alt, und seine Enkelkinder sind heute in der Armee. »Wir erwarten die gekidnappten Menschen zurück«, sagt er. Doch Appelle würden die Probleme nicht lösen. Ob in diesen Zeiten Wissenschaft überhaupt noch möglich sei? Kooperationen mit dem Ausland? »Ich bin hier!«, betont er.

Trotzdem, internationale Budgets, Kooperationen oder Fördermittel stehen vielerorts auf dem Prüfstand, Proteste reißen nicht ab. Shechtman kennt vieles aus erster Hand. Eine namhafte japanische Universität habe ihm vor Kurzem eine Ehrendoktorwürde verleihen wollen und dann mitgeteilt, den Termin zu verschieben. Man könne derzeit nicht für seine Sicherheit garantieren. Es mache ihn betroffen, wie Israel derzeit – offensichtlich auch in Japan – am Pranger stehe. Andererseits sei das Land auch stark. »Irgendwann werden wir zurückkommen«, ist Shechtman überzeugt.

Ada Yonath war eine weitere Chemie-Nobelpreisträgerin, die dieses Jahr nach Lindau anreiste, und das schon zum 13. Mal. Zur Tagung kam ebenfalls Saul Perlmutter, Physik-Nobelpreisträger im Jahr 2011. Der Harvard-Absolvent und heutige Berkeley-Professor beschäftigt sich viel mit Fragen zum Universum und Fragen des Lichts, der Supernovae. Angesichts der aktuellen Krisen betont er, es sei eine der wichtigsten Aufgaben von Wissenschaftlern, sich zu vernetzen. Das helfe ebenfalls bei der Lösung vieler sozialer Probleme. »Wenn man in der Wissenschaft immer seiner Neugier folgt, wird man auch Wege finden, die man vorher nicht erwartet hat.«

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025

Kulturbetrieb

»Wie lange will das politische Deutschland noch zusehen?«

Der Bundestagskulturausschuss hörte Experten zum Thema Antisemitismus an. Uneins war man sich vor allem bei der Frage, wie weit die Kunstfreiheit geht

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Show-Legende

Mr. Bojangles: Sammy Davis Jr. wäre 100 Jahre alt geworden

Er sang, tanzte, gab den Spaßmacher. Sammy Davis Jr. strebte nach Erfolg und bot dem Rassismus in den USA die Stirn. Der Mann aus Harlem gilt als eines der größten Showtalente

von Alexander Lang  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

Philosophie

Drang zur Tiefe

Auch 50 Jahre nach ihrem Tod entzieht sich das Denken Hannah Arendts einer klaren Einordnung

von Marcel Matthies  04.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 03.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben scharfe Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025