Dokumente

Ein Abend für Max Brod

Botschafter Issacharoff bei der Übergabe der Brod-Dokumente Foto: dpa

Dokumente

Ein Abend für Max Brod

Was macht das BKA in der Residenz des israelischen Botschafters? Szenen eines überaus bemerkenswerten Treffens

von Marko Martin  29.05.2019 13:52 Uhr

Es muss nicht immer die Vokabel »historisch« sein, schon gar nicht die Bezeichnung »kafkaesk«. Wenn jedoch, wie vorige Woche geschehen, der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes – und damit jenes BKA, das in seiner unrühmlichen Vorgeschichte nicht nur einem Aufklärer wie Fritz Bauer permanent Steine in den Ermittlungsweg gelegt hatte – in der Residenz des israelischen Botschafters zwei sichergestellte Koffer mit Max-Brod-Konvoluten übergibt und dabei auf tatsächlich erheiternde Weise scherzt und ironisiert, was von Israels Botschafter Jeremy Issacharoff ebenso souverän erwidert wird, dann provoziert dieser lange Beschreibungssatz zum jüngsten Kapitel deutsch-israelischer Beziehungen vor allem dies: ein entspanntes Ausatmen, ein Lächeln – trotz »Nahostkrise«, BDS, Rechtspopulismus, zunehmendem muslimischen Antisemitismus und weiterer realer Schrecken.

Denn auch dieser besondere Abend in der Berliner Botschafterresidenz war ja Wirklichkeit und gründete sogar auf einem veritablen Kriminalfall. In den Jahren zwischen 2009 und 2012 waren aus der Wohnung der ehemaligen Sekretärin von Max Brod – Prager Schriftsteller, Franz Kafkas engster Freund und schließlich auch Retter von dessen Manuskripten – diverse Dokumente entwendet worden. Womöglich sogar mit Einverständnis der Tochter jener 2007 verstorbenen Sekretärin Ester Hoffe, die in ihrem Tel Aviver Haus voller Katzen auch andere wertvolle Nachlassstücke gehortet hatte, obwohl diese längst per Gerichtsbeschluss der israelischen Nationalbibliothek zugesprochen worden waren?

Könnte es doch immer so sein, sinniert der Gast mit dem Notizbuch, ehe er sich in den lauen Maiabend entfernt.

SCHWEIGEN Das ist der einzige Moment, wo BKA-Vizepräsident Peter Henzler vielsagend schweigt und danach umso lieber über den Erfolg einer Ermittlung gegen Kunstfälscher im Raum Wiesbaden spricht, in deren Verlauf auch jene Max-Brod-Dokumente entdeckt wurden – aus purem Zufall.

Nun kehren die Papiere in bestem Zustand wieder heim – was keine Metapher ist. Zuvor nämlich war den geladenen Gästen die bereits 1892 gegründete Nationalbibliothek in Jerusalem vorgestellt worden – in einem Video, einer Rede des Direktors Oren Weinberg und in einem Gespräch mit dem Literaturwissenschaftler Thomas Sparr, der ebenfalls kundig und voller Empathie über die deutschen Anfänge dieser inzwischen weltberühmten Institution sprach.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Von in Preußen erlernter Katalogisierungstechnik war da zu hören, vom Nachlass Else Lasker-Schülers und Martin Bubers, von der Sammlung Stefan Zweig – und natürlich vom Wirken der legendären Bibliotheksdirektoren Hugo Bergmann und Felix Weltsch, den beiden engsten Freuden Max Brods im entstehenden Staat Israel.

HAUSHERR Primat der Erinnerung, Wertschätzung des achtsamen, präzisen Wortes – viel war es, an Werten und an Menschen, was an diesem Berliner Maiabend evoziert wurde. Ganz ohne Tremolo und Pathos, und gerade deshalb zutiefst berührend. Der hohe BKA-Beamte beim ganz offensichtlich nicht-forcierten Erklären der in Klarsichthüllen steckenden Max-Brod-Postkarten, der freundliche Hausherr und seine Expertengäste aus Jerusalem, dazu Daniela Schadt, die Ehefrau von Altbundespräsident Joachim Gauck – all das war mehr als lediglich »Gruppenbild mit Dame«.

Könnte es doch immer so sein, sinniert der Gast mit dem Notizbuch, ehe er sich in den lauen Maiabend entfernt: bewahrtes Erinnern, das nicht stecken bleibt im kalten Hallraum der Rhetorik.

Shalom, Max Brod.

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025