»Operation Finale«

Die Rache des Mossad

Oscarpreisträger Ben Kingsley Foto: Netflix

Es fängt so verwirrt an, wie man sich fühlt, bevor die Geschichte überhaupt beginnt, deren Ende man schon kennt. Operation Finale: ein neuer Film über das Aufspüren, die Gefangennahme und das Außer-Landes-Schmuggeln Adolf Eichmanns, Hauptorganisator der »Endlösung«, einer der wenigen Nazi-Massenmörder, dem der Prozess gemacht wurde.

Der Vorspann nervt mit überdrehter Musik zu Bildern von Eichmanns Schreibtisch, Namenslisten, Brille, Schreibmaschine, Nazi-Insignien. Wird das eine Komödie? Die Kopfschmerzen werden stärker. Aber nein, schon berichtet Ben Kingsley – genau, der Itzhak Stern aus Schindlers Liste – als Eichmann mit verkniffenem Mund vor begeisterten Nazis in Argentinien über die Notwendigkeit seiner Arbeit für das Deutsche Reich. Und als wäre es nicht genug, gibt es auch noch eine missglückte Mossad-Aktion zu sehen, bei der »der falsche Nazi« umgebracht wird. Wir sind übrigens gerade einmal bei Minute siebeneinhalb.

körperlich Ein Moment zum Luftholen sind die Szenen mit Oscar Isaac, bekannt als waghalsiger Raumschiffpilot in den jüngsten Star Wars-Filmen, der Peter Malkin spielt, den Mann, der Eichmann damals überwältigte, körperlich wie intellektuell. Gut aussehend, charmant und ein bisschen nachlässig, steht Malkin im goldenen Licht Israels 1960. Und ja, die berühmten Handschuhe, die der Mossad-Agent bei der Gefangennahme getragen hat, kommen auch vor.

Isaacs Malkin strahlt die Ruhe und Tiefe aus, die der Film so dringend braucht. Wenn auch nur kurz, denn schon schickt Mossad-Chef Isser Harel sein Team nach Argentinien, wo Eichmann gesichtet worden sein soll. Und nun erzählt Operation Finale durchaus spannend die Geschichte, wie die zufällige Begegnung eines Mädchens, das nicht weiß, dass es jüdisch ist, mit Eichmanns Sohn Klaus, der nicht verraten darf, wer sein Vater ist, zu einem der wichtigsten Einsätze des Mossad und dem wichtigsten Gerichtsprozess im jungen Staat Israel führte.

Als Eichmann schließlich in einem abgedunkelten Haus in Buenos Aires sitzt, um so schnell wie möglich mit einer EL-AL-Maschine ausgeflogen zu werden, verlangt die Airline plötzlich, dass der Massenmörder schriftlich versichert, dass er freiwillig nach Israel fliegt. Die Agenten, denen die gesamte Nazi-Meute der Stadt auf den Fersen ist, versuchen alles verbal Mögliche, um den SS-Mann zum Unterschreiben zu bewegen. Das führt zu gespenstischen Dia­logen, vor allem mit Malkin, die an den israelischen Film HaHov von 2007 erinnern, in dem Mossad-Agenten ebenfalls einen NS-Verbrecher nach Israel bringen wollen und im geheimen Apartment seinen Psychospielchen ausgesetzt sind.

Lachen Auch Kingsleys Eichmann manipuliert alles und jeden. Es ist die äußerst plakative »Banalität des Bösen«, wenn die Agenten ihn beim Toilettengang bewachen und er elaboriert, dass jeder Mensch im Grunde doch gleich sei. Es ist zutiefst tragisch, wenn Eichmann Moshe Tabor zum Lachen bringt, der sich das nie verzeihen wird. Und es wird zum Duell, wenn Malkin und Eichmann sich gegenseitig einzulullen versuchen.

Es ist die einzige Frau im Mossad-Team, Ärztin Hanna, die den Bann bricht und klarmacht, worum es für Israel damals ging. »Er hat gesagt, wir seien alle Tiere, nur hätten manche die größeren Zähne«, berichtet ihr Malkin. »Blödsinn«, weist sie ihn sofort zurecht: »Wären alle Menschen Tiere, wir hätten ihn bereits in Stücke gerissen.«

»Operation Finale« läuft beim Streamingdienst Netflix.

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Timothée Chalamet – der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars, der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025