Finale

Der Rest der Welt

Ein Kurzurlaub in Teneriffa hat mir die Augen geöffnet: Ich werde mir endlich ein iPhone zulegen. Dabei ist Technik überhaupt nicht mein Ding. Morgens in der S-Bahn lese ich lieber eine gedruckte Zeitung, die nach Papier und Druckerschwärze riecht, anstatt auf ein Touchscreen zu starren und Medienhäppchen von oben nach unten zu wischen.

Ich brauche kein Skype, ich hasse Facebook, ich lehne WhatsApp aus Datenschutzgründen ab, ich will nicht von Google geortet werden. Zugegeben, mitunter ist in mir die Befürchtung aufgestiegen, ich könnte den Anschluss ans 21. Jahrhundert verpassen – was einer Journalistin besser nicht passieren sollte. Doch diese Gedanken habe ich unterdrückt und mich im Gefühl der Überlegenheit gesonnt: Wer braucht schon Anschluss ans digitale Idiotentum? Ich nicht!

SIM-Karte Doch nun ist alles ins Wanken geraten. Schuld sind meine israelischen Verwandten. Wir haben uns zum Urlaub in Teneriffa getroffen. Sie haben mich bei jeder Gelegenheit gedisst. Nur weil sie die neuesten iPhones haben und ich ein Klapphandy für 19,90 Euro. Meine Großcousine, eine Opernsängerin, ritt die schlimmsten Attacken. Prinzipiell respektiere sie Wertkonservative, behauptete sie. Aber: Leute wie ich seien Kommunikationsverweigerer und machten jungen Künstlern das Leben schwer. Auf ihren Reisen sei sie gezwungen, ständig SIM-Karten zu wechseln, weswegen sie nicht vom Handy ins Ausland telefonieren könne.

WhatsApp dagegen sei die Lösung für Vielbeschäftigte. Und wie sie denn ihr Leben bewältigen solle, ohne Familie und Freunde, die ihr per Skype den Rücken stärken? »Die Steinzeit ist vorbei«, assistierte mein Cousin und schaute missbilligend auf mein Klapphandy. »Wir sind nicht mehr mit Pferd und Wagen unterwegs.«

Dann checkte er im Internet die Wettervorhersage. Meine Großcousine schwor auf eine Online-Empfehlung für ein malerisches Restaurant, von dessen Terrasse aus der Sonnenuntergang zu sehen sein sollte. Leider standen wir auf dem Weg zwei Stunden im Stau. Als wir ankamen, war es wolkig und das Restaurant geschlossen. Egal, es war trotzdem ein schöner Ausflug. Und ich beschloss, nach meinem Heimflug technisch aufzurüsten.

Nes Gadol Als unsere Online-Redakteure von meinem Entschluss hörten, warfen sie sich auf die Knie und dankten Haschem für das verfrühte Chanukkawunder: »Nes Gadol!« Dann fingen sie an, mit mir über Modelle zu diskutieren. 4,7 Zoll? 5,5 Zoll? iPhone 5, 6 oder 7? Eine Kollegin riet zu Schwarz, die andere zur Tussi-Variante in Roségold.

Eigentlich wollte ich pünktlich zum Gemeindetag mit dem neuen Teil auflaufen, damit alle wichtigen Juden denken, ich sei Mainstream. Leider lag ich krank im Bett und hatte keine Gelegenheit zum Shoppen. Falls Sie mich in den nächsten Tagen suchen sollten: Ich bin die Redakteurin mit dem Klapphandy. Aber nicht mehr lange. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis, wie der Lateiner sagt. Oder Wolf Biermann: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu!

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

Kino

»Fast ein Wunder«

Das israelische Filmfestival »Seret« eröffnete in Berlin mit dem Kassenschlager »Cabaret Total« von Roy Assaf

von Ayala Goldmann  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

»Jay Kelly«

In seichten Gewässern

Die neue Netflix-Tragikomödie von Noah Baumbach startet fulminant, verliert sich dann aber in Sentimentalitäten und Klischees

von Patrick Heidmann  20.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  20.11.2025