Berlin

David Safier erweckt »Holocaust-Komödie« zu neuem Leben

Der Autor David Safier Foto: picture alliance / dts-Agentur

Eine »Holocaust-Komödie« scheint eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Vermutlich hätte sich David Safier auch niemals an dieses heikle Thema herangetraut, wenn er nicht eine sensationelle Entdeckung gemacht hätte. Er gelangte nämlich in den Besitz des einzigen von Juden im Holocaust geschriebenen Theaterstücks, das überliefert ist.

Die Komödie heißt »Die Liebe sucht ein Zimmer« und wurde 1942 im Warschauer Ghetto gespielt – mit jüdischen Schauspielern für ein jüdisches Publikum. Für wenige Stunden konnten die Bewohner des Ghettos so die grausame Wirklichkeit vergessen. Nun hat Safier aus dem Theaterstück von Jerzy Jurandot einen Roman verfasst und damit die »Holocaust-Komödie« aus den 40er Jahren dem Vergessen entrissen.

Der 58-jährige Safier hat in seinem umfangreichen Werk einen ungewöhnlichen Spagat vollzogen. Bekannt geworden ist er als humoristischer Autor leichtfüßiger Bücher wie »Mieses Karma« oder »Jesus liebt mich«. Zudem führte er »Miss Merkel« als findige Kriminalistin ein.

Originaldialoge und fiktive Handlung

Zu diesen erfolgreichen Unterhaltungsromanen gesellten sich jedoch zuletzt Bücher sehr ernsten Charakters, die sich mit dem Holocaust beschäftigten, etwa die ergreifende Geschichte seiner Eltern in »Solange wir leben« oder sein ebenso bewegendes Buch über den Aufstand im Warschauer Ghetto »28 Tage lang«.

Lesen Sie auch

Mit »Die Liebe sucht ein Zimmer« kehrt Safier nun in das Warschauer Ghetto des Jahres 1942 zurück. Am 16. Januar wird im dortigen Femina-Theater die Komödie gleichen Namens uraufgeführt – vor 900 Zuschauern. Auch die anderen vier professionellen Theater des Ghettos sind immer brechend voll, was auch kein Wunder ist, denn die deutschen Besatzer erlauben den 460.000 im Ghetto eingesperrten Juden kein anderes Vergnügen, alle Kinos sind längst geschlossen.

Safier behält in seinem Roman sämtliche Originaldialoge und -lieder bei und bettet sie in eine fiktionale Handlung ein. Bis auf den Musiker Iwo Wesby, eine historische Persönlichkeit, sind alle Figuren des Romans frei erfunden.

Dokument des Überlebens

Im Mittelpunkt stehen die junge Schauspielerin Sara und zwei Männer, zwischen denen sie sich entscheiden muss: ihr Schauspielkollege Edmund, ihre große Liebe, und der Regisseur Michal, der sie verehrt und der ihr eines Tages ein unwiderstehliches Angebot macht. Die Sache ist kompliziert, da alle drei auch Hauptrollen in dem aktuellen Theaterstück spielen und sich ihre fiktiven und realen Rollen überschneiden. Diese Doppelbödigkeit macht den Reiz des Buchs aus, erleichtert es dem Leser aber nicht gerade, der Geschichte immer zu folgen, zumal noch weiteres vielschichtiges Theaterpersonal hinzukommt.

Sara bleiben 90 Minuten Zeit, um zusammen mit Michal die einmalige Chance zur Flucht aus dem Ghetto und damit zum Überleben zu ergreifen. Allerdings müsste sie Edmund zurücklassen. Zurückbleiben aber bedeutet Tod. Sara ist hin- und hergerissen zwischen Egoismus und Selbstlosigkeit, Lebensgier und Aufopferung, Liebe und Rücksichtslosigkeit. Was wird sie tun? Die Versuchung wird zur existentiellen Herausforderung.

Anhand einer dramatischen Geschichte transportiert Safier seine eigentliche Botschaft, nämlich dass es auch in den dunkelsten Stunden des Holocaust gelang, Freude zu bereiten. Mit ihrer Kreativität und Spielfreude trotzten die Schauspieler Hunger, Kälte und Gefahr und verschafften ihren Mitmenschen unvergessliche Stunden. Und das Erstaunlichste ist, dass sie in ihrer Komödie nicht nur heile Welt vermittelten, vielmehr die Mühsal des Ghettolebens immer wieder durchscheinen ließen. Wer verstehen wollte, der verstand. Insofern ist »Die Liebe sucht ein Zimmer« ein einmaliges Dokument des Überlebens, das Safier mit seinem Roman für die Nachwelt sichtbar gemacht hat.

Berlin

»Manchmal war ich einfach nur erschöpft«

Schon als Kind war Scarlett Johansson von »Jurassic Park« begeistert. Nun erfüllt sich ihr Traum, selbst Teil des Franchise zu sein – doch die Dreharbeiten waren anstrengender als gedacht

 23.06.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Reif, reifer, Reifeprüfung: Warum ich jedes Jahr Abitur mache

von Nicole Dreyfus  22.06.2025

Lesen!

Menahem Pressler

Ein Jugendbuch schildert das Jahrhundertleben des jüdischen Pianisten

von Maria Ossowski  22.06.2025

Aufgegabelt

Schoko-Babka

Rezepte und Leckeres

 22.06.2025

Literatur

Die Kunst, das Opfer und die Ministerin

In seinem Schlüsselroman nimmt Jonathan Guggenberger den Antisemitismus im Kulturbetrieb aufs Korn

von Ralf Balke  22.06.2025

Justiz

Dieter Hallervorden und Diether Dehm zeigen Kanzler Friedrich Merz wegen »Drecksarbeit«-Aussage an

Mit seiner Bemerkung zu Israels Angriff auf den Iran hat Kanzler Merz für viel Zustimmung und Ablehnung gesorgt. Nun sollte sich die Justiz damit beschäftigen, meinen einige

 20.06.2025

Medien

Enkel des »Weltbühne«-Gründers übt scharfe Kritik an Verleger Friedrich

Erst kürzlich hatte der Verleger der »Berliner Zeitung« die Zeitschrift »Weltbühne« wieder aufleben lassen. Nun erhebt der Enkel des jüdischen Gründers schwere Vorwürfe gegen ihn

 20.06.2025

TV-Tipp

Robert Lembke: Schikaniert wegen seines jüdischen Vaters

Wer war der Moderator Robert Lembke? 70 Jahre nach dem Start der legendären Quizsendung »Was bin ich?« fasziniert das Dokudrama »Robert Lembke – Wer bin ich?«. Ein Schatz in der ARD-Mediathek

von Gregor Tholl  20.06.2025

Ausstellung

Die Schocken-Show

Das Jüdische Museum Berlin ehrt den Unternehmer und Verleger Salman Schocken dank eines Stars der US-Literatur

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025